Etwa 50 Prozent aller Schwangerschaften weltweit sind ungeplant. Verhütungsmethoden sind begrenzt und weitgehend Frauensache. Sehr häufig wird dabei auf hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille, eine Spirale oder die Dreimonatsspritze zurückgegriffen. Diese Methoden können aber nicht nur den weiblichen Körper nachhaltig beeinträchtigen, sondern auch die Lust auf gemeinsame Liebesspiele nachhaltig vermindern.

Für Männer ist die Liste hormonfreier Verhütungsmethoden sehr kurz. Um die Nutzung von Kondomen, die nicht nur vor ungeplanten Schwangerschaften, sondern auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützen, kommen viele Paare meist nicht herum. Geht es rein um die Familienplanung, bleibt oft nur eine Vasektomie als letzte Option.

Wie nun eine amerikanische Studie zeigt, die kürzlich im Fachjournal "Nature Communications" erschien, könnte bald eine weitere Methode auf dem Markt landen, die nicht nur hormonfrei ist, sondern auch spontan eingesetzt werden kann.

Unfruchtbar für 24 Stunden

Mithilfe einer chemischen Verbindung (sAC-Hemmer), mit der Bezeichnung TDI-11861, werden sogenannte lösliche Adenylylcyclasen gehemmt, die als Vermittler zwischen Botenstoffen im Organismus dienen. Das führt dazu, dass Spermien bei Kontakt mit der Samenflüssigkeit nicht entsprechend aktiviert werden und ihre Beweglichkeit verlieren. Dadurch können sie nicht mehr zur Eizelle schwimmen und diese befruchten.

Die Wirkung des Stoffes entfaltet sich nach oraler Einnahme in nur 30 Minuten und schützt für bis zu drei Stunden vor Schwangerschaften. Danach nimmt die Wirkung des Hemmstoffes kontinuierlich ab. Nach spätestens 24 Stunden sind die Beweglichkeit der Spermien und damit die Fruchtbarkeit wieder vollständig hergestellt.

Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rund um die Hauptautoren Jochen Buck und Lonny Levin vom Weill Cornell Medical College in New York bedeuten die Studienergebnisse einen deutlichen Umbruch in der Verhütungsmedizin. Denn die Pille für den Mann würde nicht nur rasch wirken, sondern würde auch die Fertilität nicht nachhaltig beeinträchtigen, wie es bei bisherigen hormonellen Methoden der Fall ist.

Mausstudie bestätigt Wirksamkeit

Noch müssen sich Paare aber gedulden, denn bis die Pille für den Mann auf den Markt kommt, sind weitere Untersuchungen und klinische Studien nötig. Die aktuelle Studie an Mäusen zeigt aber deutlich den erfolgversprechenden Ansatz des sAC-Hemmers. Paarten sich die Mäuse zwei Stunden nach Einnahme des Stoffes, war das Mittel zu 100 Prozent effektiv. Nach drei Stunden lag die empfängnisverhütende Wirkung noch bei 91 Prozent und nach acht Stunden bei 78 Prozent Wirksamkeit.

Dass die Empfängnisverhütung bei Mäusen so gut funktionierte, ist für den Menschen ein gutes Zeichen. Denn gegenüber den Nagetieren haben die weiblichen Geschlechtsorgane beim Menschen einen anatomischen Vorteil. Während bei der Maus keine physische Barriere zwischen Vagina und Uterus besteht, müssen die Spermien beim Menschen erst noch die Zervix passieren, um den Weg zur Eizelle erfolgreich hinter sich zu bringen. Spätestens dort könnten sie jedoch über einen längeren Zeitraum überleben und zu einer Schwangerschaft führen.

Hier kommt ein Vorteil des sAC-Hemmers ins Spiel: Da sich die Spermien unter Anwendung des Stoffes für mehrere Stunden nicht fortbewegen können, verbleiben sie im spermienfeindlichen, sauren Milieu der Vagina und gehen dort zugrunde, bevor die Wirkung des Hemmers nachlässt und sie ihre Reise zur Eizelle fortsetzen könnten.

Weiter Möglichkeiten für die "Männer-Pille"

Der neue sAC-Hemmer ist jedoch nicht der einzige Wirkstoffkandidat. Als vielversprechend gilt auch der Wirkstoff mit dem Namen "YCT529", der im März 2022 das erste Mal vorgestellt wurde, sowie der Wirkstoff "VU0546110", der im Jänner 2023 vorgestellt wurde. Auch diese beiden nicht hormonellen Verhütungsmittel wurden an Mäusen erfolgreich getestet.

Bis Mitte 2011 wurde außerdem an einer hormonellen Verhütungsspritze für Männer geforscht. In einer WHO-Studie wurde 320 Studienteilnehmern über mehrere Wochen hinweg eine Hormonspritze verabreicht. Im Hinblick auf die Verhütung sei das sehr erfolgreich gewesen. Rund zehn Prozent der Männer hatten jedoch über Nebenwirkungen wie Akne, Schmerzen an der Injektionsstelle, erhöhte Libido und Stimmungsschwankungen geklagt, hieß es in der Studie. Diese Risiken für die Studienteilnehmer überstiegen den Nutzen.