Die Übersterblichkeit weltweit lag nach einer Auswertung in den ersten beiden Jahren der Coronapandemie 2020 und 2021 deutlich höher als die offiziell gemeldeten Covid-19-Todeszahlen. Vor allem in Ländern mit mittleren Einkommen war die Diskrepanz groß, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Fachzeitschrift "Nature" am Mittwoch berichtet. Weltweit starben demnach in den beiden Jahren rund 14,8 Millionen Menschen mehr als ohne die Pandemie zu erwarten gewesen wäre.

Die WHO hatte im Mai schon einmal von 14,9 Millionen zusätzlichen Todesfällen berichtet. Sie verfeinerte die Analyse nun für die Veröffentlichung in "Nature". Besonders betroffen von hoher Übersterblichkeit waren Ländern mit mittleren Einkommen in Südamerika, wie die WHO in "Nature" berichtet. Peru habe fast doppelt so viele Todesfälle gehabt, wie zu erwarten gewesen wäre. In Mexiko, Bolivien und Ecuador habe die Zahl um 50 Prozent höher gelegen.

Zahlen für Österreich

Auch in Österreich gab es auch im mittlerweile dritten Pandemiejahr 2022 wieder eine deutliche Übersterblichkeit. Von Ende Mai bis Mitte November lag die Übersterblichkeit laut der Wiener Landesstatistik bei knapp neun Prozent. Besonders betroffen war die Gruppe von über 65-Jährigen. Landesweit gab es somit rund 3500 Tote mehr als erwartet. Als Vergleichszeitraum wurden die fünf Jahre vor der Pandemie – 2015 bis 2019 – herangezogen.

Im Vorjahr starben in Österreich etwa 15.000 Menschen mehr als erwartet. Allerdings wurde 2021 anders als 2020 eine zunehmende Differenz zu den offiziell gemeldeten Covid-19-Sterbefällen registriert. Konkret konnten 2020 insgesamt 75 Prozent der statistischen Übersterblichkeit durch die registrierten Covid-19-Toten erklärt werden. 2021 lag der Wert bundesweit nur mehr bei 45 Prozent.

Verlässlichkeit der Daten

In ärmeren Ländern sei die Übersterblichkeit nicht so hoch gewesen, weil die Bevölkerung dort in der Regel jünger sei und daher weniger Menschen an Covid-19 starben, heißt es in der Analyse der WHO. Weltweit betrachtet lag die Übersterblichkeit demnach mehr als zweieinhalbmal so hoch wie die gemeldeten Covid-19-Todesfälle.

Doch wie verlässlich sind diese Zahlen? Hanno Ulmer, Direktor der Sektion Medizinische Statistik und Informatik an der Medizinischen Universität Innsbruck, meint dazu: "Der Wunsch der WHO, die Covid-19-Pandemie mit einigen wenigen Zahlen zur Übersterblichkeit einordnen zu können, ist verständlich. Letztlich handelt es sich jedoch um eine sehr grobe Schätzung, die für einzelne Länder nichtzutreffend sein muss." Dem Experten zufolge seien die angewandten statistischen Methoden in Ordnung sein: "Die konkreten Berechnungen und Ergebnisse hängen dann von den in den einzelnen Ländern zur Verfügung stehenden Daten ab. Eine globale Schätzung wie diese ist problematisch, es greifen die verschiedensten Limitationen."

Außerdem sind nicht nur die vorhandenen Daten in den einzelnen Ländern unterschiedlich gegeben. Jedes Land bringe auch andere Grundvoraussetzungen aus den letzten Jahren mit. Ulmer erklärt: "Peru beispielsweise hat laut Studie die weltweit mit Abstand höchste Übersterblichkeit. Dort ist es aber offenbar während der Pandemiejahre zusätzlich zu starken Denguefieber-Ausbrüchen gekommen." Zudem könne eine hohe Übersterblichkeit auch dann zustande kommen, wenn die Jahre vor der Pandemie Jahre mit besonders niedriger Mortalität waren.

Doch was bedeutet das nun für die vorhandenen Daten und Zahlen? Kann man mit diesen überhaupt genaue Aussagen treffen? Der Experte meint dazu: "Letztlich würde ich die vorliegende Arbeit nicht unbedingt als Schätzung zu den Covid-19-Toten sehen, sondern als Arbeit zur Übersterblichkeit in den Pandemiejahren 2020 und 2021. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, der ja nach Land und Region stark variieren kann."