In Österreich haben sich bis Ende August 1488 Personen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 innerhalb eines Jahres ein weiteres Mal mit dem Coronavirus angesteckt. Zehn der Betroffenen starben daraufhin an der Covid-19-Erkankung. Das geht aus der Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage der NEOS durch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hervor. Diese zeigt also, dass sich nur 0,22 Prozent der 670.903 Genesenen innerhalb von zwölf Monaten wieder infiziert haben.

Die meisten Reinfektionen traten bereits innerhalb von sechs Monaten auf. In diesem Zeitraum infizierten sich 903 Personen ein zweites Mal mit dem Erreger. Das ist eine Quote von 0,13 Prozent Reinfektionen innerhalb eines halben Jahres nach einer ersten Ansteckung. Aber wie ist es möglich, dass man mehr als einmal an diesem Virus erkrankt?

Der Schlüssel zur Antwort auf diese Frage liegt in der sterilisierenden Immunität. Von einer solchen spricht man, wenn man nach Erkrankung durch Infektion mit einem Krankheitserreger nicht erneut an dieser Infektion erkranken kann. Das gilt etwa bei Masern, Hepatitis C oder auch Schafblattern. Bei SARS-CoV-2 ist eine solche nicht möglich. Hier zeigt sich, was man unter anderem vom Influenzavirus oder Coronaschnupfenviren kennt: Man kann im Leben mehrmals mit diesen Erregern infiziert werden und erkranken.

Virusvarianten 

Dazu kommt: Manche Viren bleiben nicht immer gleich. Sie verändern sich ständig, wie Umwelt- und Präventivmediziner Hans-Peter Hutter von der Med Uni Wien erklärt: „Der Urtyp des SARS-CoV-2, also des Coronavirus, das uns die gegenwärtige Pandemie beschert hat, ist schon lange weg. Es gibt mittlerweile unzählige Varianten. Die meisten davon bekommen wir gar nicht mit. Wir bemerken nur jene, die sich durchsetzen – etwa, weil sie um infektiöser sind." Die neuen Eigenschaften dieser neuen Varianten machen dann eine erneute Ansteckung wahrscheinlicher.

Das Glück in diesem Fall ist: „Es zeigt sich, dass die Impfungen auch gegen Varianten wie Delta schützen – obwohl die Impfstoffe bereits davor auf Basis des ursprünglichen Virus entwickelt wurden“, so Hutter. Durch die Impfung, wie auch durch eine durchgemachte Infektion entwickelt der Körper eine spezifische Abwehr aus T-Zellen und B-Zellen, die neutralisierende Antikörper produzieren. Nach einer Impfung oder einer schwereren Infektion sind diese meist ausgeprägter als etwa nach einem milden oder symptomlosen Verlauf. Neutralisierende Antikörper und T-Zellen-Immunität schützen in Kombination vor einer schweren Erkrankung. Doch die erworbene Immunität ist kein stabiles Konstrukt: „Mit der Zeit nehmen diese Werte wieder ab“, so der Experte.

Schutzwirkung lässt nach 

„Dass die Schutzwirkung mit der Zeit nachlässt, gilt für alle Impfungen und besonders, wenn nur eine primäre (aus einer oder zwei Dosen bestehende) Impfung stattgefunden hat, wie im Fall der Covid-19 Impfung. Zuerst haben wir das in Israel gesehen. Dort wurde sehr rasch geimpft und eine Zeit lange dachte man: ‚Das war’s jetzt.‘ Durch die vielen erneuten Fälle im Juni/Juli hat man eine Ahnung davon bekommen, wie lange die Schutzwirkung hält“, so Hutter.

Neutralisierende Antikörper gehen dabei schneller zurück als die T-Zellen-Immunität: „Aber auch diese hält sich nicht endlos“, so der Experte. Durch das Auffrischen der Impfungen sanken auch die Anzahl der Infektionen und schweren Coronafälle. Dabei gilt es zu beachten: Derzeit geht man davon aus, dass neutralisierende Antikörper sich nach einer Infektion noch schneller wieder abbauen als nach einer Impfung.

Maßnahmen einhalten 

Somit sei eine überstandene Infektion kein Freibrief, um auf Hygiene- und Abstandsregeln zu verzichten: „Wir wissen ja mittlerweile, wie wir uns und andere gut schützen können. Egal ob Maske, Zertifikat oder Abstandregeln: Das sind alles Dinge, die leicht umzusetzen sind und den Alltag kaum beeinflussen“, sagt der Präventivmediziner.

Doch ist man durch eine vorherige Erkrankung wenigstens vor einem schweren Verlauf geschützt? „Es ist so, dass man einen schweren Verlauf für die einzelne Person nie ganz ausschließen kann“, sagt Hutter. Allerdings machen Interventionen wie die Impfung einen solchen für den großen Teil der Bevölkerung sehr unwahrscheinlich: „Wenn wir aktuell auf die Intensivstationen schauen, sehen wir, dass auf jene Menschen, die dort mit einer Coviderkrankung liegen, einer von zwei Punkten zutrifft: Entweder sind diese Menschen ungeimpft oder sie gehören zu einer Risikogruppe.“ Unter zweiteres fallen vor allem Menschen mit geschwächten Immunsystem, wie etwa infolge einer Organtransplantation.

„Es ist ein neues Virus. Auch wenn wir jetzt schon fast zwei Jahre damit zu tun haben, ist klar, dass wir noch nicht alles darüber wissen können und noch immer dazulernen“, sagt Hutter. Wichtig sei, mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken und alles daranzusetzen, schwere Erkrankungen und Todesfälle weitestgehend zu verhindern.