Das Coronavirus hat uns mittlerweile seit mehr als einem Jahr im Griff. Unter Hochdruck wurden bereits erste Impfstoffe auf den Markt gebracht und Mittel, um die Symptome zu behandeln. Die Verbreitung des Virus stoppen können sie alle nicht. Umso größer ist nun die Hoffnung auf eine Corona-Pille. Diese Pille könnte im allerbesten aller Fälle sogar Ende des Jahres auf dem Markt sein, sagte Verwaltungsrat-Präsident Christoph Franz vom Pharmakonzern Roche.

Roche arbeitet mit dem US-Unternehmen Atea Pharmaceuticals seit vergangenem Oktober zusammen. Gemeinsam entwickeln die beiden Unternehmen die Corona-Pille mit dem Namen AT-527. "So, wie der Wirkstoffkandidat von Roche und Atea funktioniert, könnte er das Virus abtöten", fasst es der langjährige Pharma-Analyst Michael Nawrath im Gespräch mit AWP zusammen. "AT527 ist an sich wie ein Antibiotikum, nur dass eben nicht Bakterien, sondern Viren abtötet."

Insgesamt zählt Nawrath derzeit rund fünf vielversprechende Projekte, in denen das Virus direkt angegangen werden soll. Auch der zweite Basler Großkonzern Novartis arbeitet an einem solchen. "Aber keines dieser Programme ist so weit fortgeschritten wie das von Roche." Auch der Wirkmechanismus des Roche-Kandidaten ist ein anderer.

Der Kandidat von Roche und Atea ist ein sogenannter RNA-Polymerase-Hemmer. Er sorgt dafür, dass sich das Virus nicht weitervermehrt und so abstirbt. Die anderen Corona-Pillen-Projekte setzen auf Proteasehemmer, die das Virus direkt angreifen. Eine Pille gegen Corona wäre somit eine optimale Ergänzung zu den bereits existierenden Impfstoffen oder auch zu dem Antikörper-Cocktail von Regeneron, der dem Immunsystem einen zusätzlichen Schub gibt.

Roche und Atea planen, mit dem Kandidaten noch im laufenden Quartal eine zulassungsrelevante Studie zu beginnen. Dabei soll AT-527 sowohl innerhalb als auch außerhalb des Krankenhausbetriebs eingesetzt werden. Aktuell wird das Mittel bei Patienten getestet, die mit leichter oder mittelschwerer Covid-19 ambulant behandelt werden. Wie der Branchenexperte Nawrath unterstreicht, dürfte die zulassungsrelevante Studie denn auch schnell Ergebnisse liefern. "Es kommt dann darauf an, ob sich die Viruslast reduziert, und das lässt sich schnell feststellen."

Darüber hinaus soll geschaut werden, ob man AT-527 nicht auch als eine Art Prophylaxe verwenden kann, also als Vorsorge für solche Menschen, die mit Corona-Patienten in Kontakt gekommen sind, aber noch keine Symptome zeigen. "Mit den aktuell bekannten Corona-Stämmen dauert es mitunter bis zu fünf Tage, bis man erste Symptome entwickelt", erklärt der Mirabaud-Analyst Olav Zilian.

"Im Grunde könnte man mit einer solchen Tablette verfahren wie mit Jodtabletten im Falle eines Nuklearunfalls - sie einfach den Menschen im Ernstfall prophylaktisch verabreichen", so Zilian weiter. Mit einer so flächendeckenden Verabreichung sollte es eben auch möglich sein, eine Verbreitung wie man sie im Laufe der Covid-19-Pandemie gesehen hat zu vermeiden, erklärt Zilian weiter.

Und hier ergibt sich ein weiterer Vorteil von AT-527. Da es sich um eine chemische Substanz handelt, kann sie problemlos in nahezu unbegrenzten Mengen hergestellt werden. "Das ist ein großer Vorteil biologischen Substanzen gegenüber wie etwa dem Regeneron-Antikörpercocktail", betont Nawrath. Selbst wenn sie wollten, könnten Regeneron und der Partner Roche kaum mehr als die etwa zwei Millionen Dosen pro Jahr herstellen. Auch die Verabreichungsform als Tablette eignet sich für die Herstellung im großen Maßstab und könnte dadurch einer größeren Patientenpopulation zugänglich gemacht werden, heißt es dazu noch von Roche selbst.

Bis es allerdings so weit ist, wird es noch einige Monate dauern. Erst einmal müssen nun die Patienten für die anstehenden Zulassungsstudie rekrutiert werden. Ob die Tablette tatsächlich Ende 2021 dann verfügbar ist, kann man heute noch nicht sagen. Das liegt schlicht an den Studienergebnissen. Der Experte Nawrath hält den Zeithorizont vom Roche-VRP Franz aber nicht für abwegig.

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