39 Prozent der Menschen in Österreich waren in der Vergangenheit oder sind aktuell von einer psychischen Erkrankung betroffen, wie eine repräsentative Studie des Berufsverbandes Österreichischer Psychologinnen und Psychologen vom Juli 2020 zeigt. Aber: „Nicht einmal drei Viertel der Befragten würden den engsten Vertrauten von ihrer psychischen Krankheit erzählen“, so die Studienautorin Sophie Karmasin von Karmasin Research & Identity.

Psychische Erkrankungen werden selten offen thematisiert. Dadurch entstehen Vorurteile und Mythen zur Psychotherapie und zu psychischen Erkrankungen. Marion Bacher-Grünwalder ist Psychotherapeutin bei „pro mente kärnten" und hat vier der sich besonders hartnäckig haltenden Mythen unter die Lupe genommen.

Mythos 1: "Wenn man eine Psychotherapie macht, geht es einem noch schlechter."

„Eine Therapie stützt und stabilisiert, sie baut auf vorhandenen Ressourcen, das heißt auf die Fähigkeiten und Stärken, auf", so Bacher-Grünwalder. Gemeinsam werde an festgelegten Zielen gearbeitet. Mit dem Ziel, im Alltag besser und freudvoller leben zu können, gehöre es auch dazu, alte und belastende Muster zu erkennen.

Mythos 2: "Wenn man eine Psychotherapie macht, muss man Medikamente einnehmen."

Das muss laut der Psychotherapeutin nicht automatisch so sein. Es komme vielmehr auf die Schwere der Erkrankung und den damit verbundenen Leidensdruck an. Da dieser von Mensch zu Mensch variiert, lässt sich hier also keine pauschale Aussage treffen.Wenn der Leidensdruck groß ist, „kann eine Einnahme von Medikamenten für eine Zeitlang durchaus hilfreich sein".

Mythos 3: "Bei einer Psychotherapie muss ich Dinge erzählen, die ich nicht sagen will."

„Jeder Mensch entscheidet selber, was er dem Therapeuten oder der Therapeutin erzählen will", entgegnet Bacher-Grünwalder. Wohl aber falle es erfahrungsgemäß mit wachsendem Vertrauen leichter, auch Dinge zu thematisieren, die bisher vielleicht aus Scham verschwiegen wurden: „Ein Psychotherapeut ist jedenfalls kein Zahnarzt, der bohren muss, um ein gutes Ergebnis zu erreichen".

Mythos 4: "Eine Depression ist nur ‚Kopfsache‘.“

Mit solchen Äußerungen gilt es, vorsichtig zu sein. Sie machen "erfahrungsgemäß den von einer Depression betroffenen Menschen sehr zu schaffen, setzen sie unter Druck, weil sie jetzt auch noch beweisen sollten, nicht schwach zu sein. Eine Depression ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die mit dem Willen alleine nicht gesteuert werden kann", so die Psychotherapeutin. Es sei wichtig, dass die Menschen professionelle Hilfe annehmen.