Sie beschreiben in Ihrem Buch sehr schön, wie es ist ein Herz zu berühren. Was ging Ihnen beim ersten Mal durch den Kopf?

Reinhard Friedl: Ich empfand eine große Ehrfurcht vor diesem kleinen Organ mit dieser unermesslichen Kraft. Immerhin pumpt es bei einem Erwachsenen täglich sechs bis zehn Tonnen Blut. Stellen Sie sich einmal vor, Sie müssten das in Eimern über eine Straße tragen, 24 Stunden am Tag. Dann wissen Sie was dieses Organ leistet. Und diese Urgewalt des Lebens spürte ich auch, als es in meiner Hand lag. Gleichzeitig hatte es etwas sehr zartes, verletzliches, als es so ganz offen vor mir lag, nachdem der schützende Knochenpanzer des Brustkorbes entfernt war.

Inwiefern unterscheiden sich Herzen voneinander?

Unsere Herzen wachsen genauso wie wir selbst und müssen groß und stark werden. Babyherzen haben ungefähr die Größe einer Walnuss und die von Männern sind meistens etwas größer als Frauenherzen. Das Herz eines gesunden Erwachsenen ist in etwa so groß wie seine Faust. Manche sind ein bisschen pummelig und in eine ordentliche Fettschicht eingehüllt, bei anderen sieht man die Muskulatur noch sehr schön. Aber eines haben alle gemeinsam: sie schlagen für Ihr Leben gern.

Am gestrigen Valentinstag drehte sich alles um die Liebe. Warum wohnt die Liebe im Herzen?

Die Liebe wohnt überall in unserem Körper, aber ohne unser Herz könnten wir keine Liebe empfinden. Es beginnt schon damit, dass es anfängt sich in unserer Brust bemerkbar zu machen, sobald man den oder die Liebste erblickt. Unser Herz kann dann auch gleich höchstpersönlich das Liebeshormon Oxytocin ausschütten, welches unser Verhalten in Liebesbeziehungen sehr beeinflusst.

Können zwei Herzen in einem Takt schlagen?

Aber natürlich. Das ist ein Thema, das die Menschen seit langen gespürt haben und das erst vor einigen Jahren wirklich nachgewiesen wurde. Schon im Mutterleib synchronisieren sich Kind- und Mutterherz immer wieder und diese Fähigkeit behalten wir auch als Erwachsene. Zum Beispiel bei Liebenden. Auch über größere Distanzen und wenn jemand, dem wir nahestehen, in Gefahr ist. Herzen spüren, wenn Sie gebraucht werden und die Synchronisation ist Kommunikation und Unterstützung von Herz zu Herz. Wir sind dann wie ein Herz. Mit unserem direkten Willen können wir das nicht herstellen.

Verliert das Herz heutzutage zu oft gegen den Verstand? Sollten wir mehr auf unser Herz hören?

Wenn wir nicht auf unser Herz hören, werden wir krank. Dankbarkeit, Verzeihen, Freude, Meditation und Beten haben eine höchst schützende und sogar gesund machende Wirkung auf das Herz. Diese Faktoren sind mindestens so wichtig wie die Cholesterinwerte und der Blutdruck. Dauerhafte Feindseligkeit, nicht verzeihen zu können, anhaltender und entkräftender Stress sind dagegen pures Gift und echte Killer. Unser Verstand ist etwas Wunderbares, Einzigartiges und es ist ein Zeichen von echter Intelligenz, auf sein Herz zu hören. Ganz Mensch sind wir nur, wenn Herz und Hirn verbunden sind. Kann man seinen eigenen Herzschlag beeinflussen?

Das ist gar nicht so schwer. Schließen Sie die Augen und atmen sie ganz entspannt ein und aus. Denken Sie an etwas Schönes und nehmen Sie sich dafür fünf Minuten Zeit. Ganz für sich. Mit jeder Einatmung umarmen die Lungen das Herz und massieren es ein bisschen, dann wird der Herzschlag etwas schneller. Und mit jeder langsamen Ausatmung wird er wieder etwas langsamer. Herzen lieben dieses sanfte Schaukeln und gesund ist es auch: Puls und Blutdruck sinken.

Wer sind die größten Feinde des Herzens?

Zu wenig Bewegung, schlechte Ernährung und Stress. Depressionen, Einsamkeit und eine Welt ohne Liebe. Ein Lächeln und ein paar gute Worte zu den Nachbarn, verbunden mit einem täglichen Spaziergang um das Haus, das sind schon erste Schritte, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Kann das Herz denn wirklich an der Liebe zerbrechen? Wie zum Beispiel beim „Broken Heart Syndrom“?

Es zerbricht nicht wie eine Blumenvase. Aber großer emotionaler Schmerz lässt das Herz verkrampfen. Dann fühlt es sich so an, als sei es auseinander gebrochen. Der Gefühlsschock, der dem „Broken Heart“ vorausgeht, führt zu einer starken Ausschüttung von Stresshormonen, die den Herzkrampf verursachen. Meistens vergeht er nach einige Zeit von selbst wieder, in seltenen Fällen ist er auch tödlich.

Was kann das Herz, was das Hirn nicht kann?

Das Herz kann vieles fühlen. Wie es jemand anderem ergeht oder ob jemand Hilfe braucht. Mitgefühl ist eine der wichtigsten und schönsten Herzqualitäten, eine Qualität von Menschlichkeit. Das Gehirn alleine fühlt gar nichts, es ist auf seine Sinnesorgane angewiesen. Und das Herz ist, so meine ich, sein Wichtigstes.