Die Innsbrucker Universitätsklinik lässt mit einer positiven Erkenntnis in Sachen Long Covid aufhorchen: Im Rahmen einer Folgestudie wurde festgestellt, dass sämtliche untersuchten Patienten nach spätestens zwei Jahren keine Virusbestandteile im Darm und auch keine Long-Covid-Symptome mehr aufweisen. „Das bedeutet Hoffnung für viele. Die Zeit heilt auch“, sagte Herbert Tilg, Direktor für Innere Medizin I, der die Studie federführend leitete.

Insgesamt handelte es sich bei der Studie um 21 Patientinnen und Patienten, die an einer Grunderkrankung – einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung – litten und leichte bis moderate Long-Covid-Symptome aufwiesen. „Dabei sind die Betroffenen zwar nicht schwer krank, aber stark beeinträchtigt. Schwäche, Müdigkeit, Erschöpfung. Sie können sich zu nichts richtig aufraffen. Solche Fälle machen den Großteil der an Long-Covid-Erkrankten aus. Schwere Long-Covid-Fälle hingegen treten deutlich seltener auf“, veranschaulichte Tilg die große Bedeutung der neuen Erkenntnisse.

Auf Nachfrage der Kleinen Zeitung erklärte Tilg, dass das Hauptsymptom der Patientinnen und Patienten in der Studie die „Fatigue“, also die Erschöpfung war. In den ersten sieben Monaten waren die untersuchten Long-Covid-Patienten wiederholt im Krankenstand und vorübergehend auch berufsunfähig.

Herbert Tilg, Direktor für Innere Medizin an der Innsbrucker Uniklinik
Herbert Tilg, Direktor für Innere Medizin an der Innsbrucker Uniklinik © Gerhard Berger

Nach zwei Jahren beschwerdefrei

Die wesentlichsten dieser Erkenntnisse im Detail: Von den 21 klinisch untersuchten Patienten waren „alle nach zwei Jahren zu hundert Prozent beschwerdefrei“, berichtete der renommierte Internist und Gastroenterologe Tilg. Bei neun dieser Patienten sei eine Darmspiegelung bzw. eine Endoskopie durchgeführt worden. „Alle negativ. Nach zwei Jahren fanden sich keine Virusbestandteile mehr. Der Körper bzw. das Immunsystem hat es geschafft, die Viren zu eliminieren“, zeigte sich der Top-Experte erfreut. Und zu guter Letzt: Das Glückshormon Serotonin, von dem man weiß, dass es bei Long Covid vermindert sei, war wieder „normalisiert“. „Wenn die Viren verschwinden, geht im Vergleich zu früher der Serotonin-Spiegel im Blut wieder rauf“, erklärte Tilg. Innerhalb dieser zwei Jahren hätten die Patientinnen und Patienten auch keine spezifische Therapie erhalten – „die Zeit hat geheilt“, sagt Tilg.

Die „kleine und feine Studie“ sei derzeit weltweit die einzige dieser Art und jedenfalls repräsentativ. Sie wurde vor kurzem in der renommierten Fachzeitschrift „Gastroenterology“ veröffentlicht, schilderte Tilg: „Der Vorteil daran: Wir haben die Patienten von Beginn an begleitet.“ Auf Nachfrage der Kleinen Zeitung erklärte Studienleiter Tilg, dass eine chronische Darmerkrankung, wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn, Menschen nicht anfälliger für Long Covid mache – die Ergebnisse der Untersuchung seien daher auch auf die gesunde Bevölkerung zu übertragen.

Hoffnung, dass Long Covid verschwindet

Denn schließlich baut die jetzige Folgestudie auf einer klinischen Studie unter Tilgs Ägide auf, die vor rund zwei Jahren für Aufsehen gesorgt hatte. Damals hatten der Mediziner und sein Team nachgewiesen, dass das Vorhandensein von Virusresten offenbar mit Long-Covid-Symptomen zusammenhängt bzw. korreliert. Konkret waren 46 Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen im Zuge einer Magen-Darm-Spiegelung auch auf Corona untersucht worden. 32 davon wiesen noch sieben Monate nach der Corona-Infektion Virusbestandteile oder Virusreste im Verdauungstrakt auf. 21 davon hatten Long Covid-Symptome. Und eben diese 21 Betroffenen wurden seitdem klinisch begleitet – bis zur nunmehrigen Untersuchung.

„Es gibt damit berechtigte Hoffnung, dass Long Covid oder Post Covid verschwindet. Es braucht aber bis zu zwei Jahre, bis das Immunsystem die Viren endgültig eliminiert“, verdeutlichte Tilg.

Für schwere Fälle braucht es mehr Forschung

Was die schweren Long-Covid-Fälle betreffe, würden zwar „große Studien, auch Therapie-Studien“ laufen, aber: „Wir verstehen in der Medizin noch nicht gut, weshalb eine solch schwere Erkrankung entstehen kann.“ Die gewonnene Serotonin-Erkenntnis könnte jedoch auch bei diesen Fällen „ein Ansatzpunkt“ sein, so Tilg. Schließlich gebe es Medikamente, die den Serotonin-Spiegel steigern, aber: „Es fehlt noch die große, kontrollierte Studie dazu.“ Auch um generell Covid akut zu behandeln, würden ja Medikamente vorliegen, erinnerte Tilg: „Aber derzeit können wir es damit nur vermindern, nicht eliminieren.“