Mittels spezieller Ionenpumpen wollen Forscher aus Graz und Schweden zukünftig Medikamente ganz gezielt gegen bösartige Tumore im Gehirn in Stellung bringen. Der Ansatz wurde kürzlich im Rahmen einer Studie im Fachblatt "Advanced Materials Technologies" vorgestellt. Anvisiert hat das Team im Labor rasch wachsende Glioblastome - bösartige Hirntumore. In fünf bis zehn Jahren hofft man auch, mit solchen Implantaten gegen andere Krebserkrankungen vorzugehen, so die Erstautorin Linda Waldherr.

Wieder auftreten und aggressiv ausbreiten

Beim Glioblastom handelt es sich um die häufigste Gehirntumorart bei Erwachsenen. Mittels Operation werden in der Regel die Krebszellen so gut wie möglich entfernt. Es bleiben allerdings oft kleine Tumorteile zwischen den Gehirnzellen zurück, die erneut zum Keim für die Erkrankung werden können. In rund 80 bis 90 Prozent der Fälle tritt die Erkrankung in der Umgebung des ersten Gewächses wieder auf, wie die Wissenschafterin vom Institut für Biophysik der Medizinischen Universität Graz erklärte. Noch dazu kann sich das Glioblastom aggressiv ausbreiten und sich auch in anderen Gehirnbereichen festsetzen. In immerhin nur 50 Tagen kann es zur Verdoppelung eines solchen Tumors kommen. Nach einer Operation wird bisher versucht, die Erkrankung mittels Strahlen- und Chemotherapie in Schach zu halten und die Rückkehr zu verzögern. Diese Art der Therapie verlaufe in den Grundzügen seit rund 30 Jahren in etwa gleich, sagte Waldherr. Bisher werden Chemotherapeutika, wie das gegen die entarteten Zellen wirksame Gemcitabin, über die Blutbahn verabreicht. Damit treten im gesamten Körper ihre Wirkungen und Nebenwirkungen auf, gerade aber den Weg ins Gehirn finden sie nur schwer, da die Blut-Hirn-Schranke für derartige Wirkstoffe nur schwer zu überwinden ist.

Hier setzt die Idee der Ionenpumpen an, mit denen Medikamente lokal und ohne den sonst üblichen Austausch über die Blutbahn verabreicht werden könnten. Die Prototypen des Teams um Maria Seitanidou von der Universität Linköping (Schweden) wurden nun in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt in Graz in einem Zusammenschluss von Biophysikern um Waldherr und Rainer Schindl und Neurochirurgen um Silke Patz einer ersten umfassenderen Untersuchung unterzogen. Dass das Prinzip funktioniert, konnten die Forscher auch in dreidimensional gezüchteten Tumorzellhaufen zeigen. Diese Zellensembles gehen "schon in Richtung eines Tumormodells", sagte Waldherr. Wie im echten Krebsgewebe leiden die Zellen im Inneren der Struktur schon unter Sauerstoffmangel, während die äußeren Schichten sich munter teilen und wachsen. In diesen "Kügelchen, sind schon tumorähnliche Eigenschaften vorzufinden".

Wirkung auf Krebszellen beschränkt

Die Verabreichung des Gemcitabins mit der neuartigen Pumpe stellte sich im Rahmen der Untersuchung als vielversprechend heraus, sagte Waldherr. Der zum Betrieb der Pumpe benötigte elektrische Strom sei sehr gering. Gemcitabin hemmt die Zellteilung und da im Gehirn vor allem der Tumor wächst, wäre die Wirkung des Medikaments dort relativ exklusiv auf die Krebszellen beschränkt.

Da beim Glioblastom meistens eine Operation erfolgen muss, könnte das Ionenpumpen-Implantat gleich in die Operationshöhle eingesetzt werden, so die Vision der Wissenschafter. Unter der Haut würde das dann zu einer Steuereinheit verkabelt, "die wie beim Herzschrittmachen unter den Schlüsselbein liegt", erklärte Waldherr. Nach einer gewissen Heilungszeit würde das Implantat kontaktlos aktiviert und die kontrollierte Chemotherapie am Ort der Tumorentstehung beginnen.

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Gerade beim Glioblastom hofft man, dass sich die Überlebensdauer so etwa im Kombination mit der Standardtherapie noch deutlich verlängern lasse. Die benötigten Mengen des Medikaments wären bei dem zielgerichteten Behandlungsansatz äußerst gering. "Das Prinzip ist überhaupt nicht auf das Glioblastom beschränkt - ganz im Gegenteil, wir wollen das eigentlich auch ausweiten", sagte Waldherr.