Die medizinische Wirkung von Cannabis wird immer besser erforscht: Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabinol (THC) docken im gesamten Körper an Cannabinoid-Rezeptoren an und zeigen ein großes Wirkungsspektrum. Im Unterschied zu THC ist CBD nicht psychoaktiv und erweist sich Studien zufolge als Zusatz-Therapie in der Schmerzmedizin als nützlich. „Hochdosiertes CBD kann in Kombination mit Opioiden und anderen Schmerzmedikamenten auch bei sonst therapieresistenten Schmerzsymptomen eingesetzt werden“, sagt Rudolf Likar (Leiter der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt und LKH Wolfsberg; Lehrstuhl für Palliativmedizin an der Sigmund Freud Universität) anlässlich der 19. Schmerzwochen der österreichischen Schmerzgesellschaft.

Likar verweist besonders auf die Wirksamkeit der Substanz bei der Behandlung von Patienten mit Grad IV Glioblastom Multiform, einer Hirntumorerkrankung mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von 14 bis 16 Monaten. Die wesentlichen Behandlungsmaßnahmen bestehen darin, den Hirntumor, sofern das durch seine Lage möglich ist, chirurgisch zu entfernen und eine unterstützende Radiochemotherapie durchzuführen.

CBD scheint Tumorwachstum zu bremsen

In einer 2019 publizierten Fallserie behandelte Likar die Glioblastom-Patienten zusätzlich mit einer täglichen Dosis von 400 mg CBD. „In der Folge gingen die Schmerzen zurück. Die depressive Verstimmung und die Schlafqualität der Patienten besserten sich eindeutig und auch ihre chronische Erschöpfung ließ nach“, berichtet er.

Die Daten der Fallserie lassen aber auch darauf schließen, dass sich CBD nicht nur die Lebensqualität der Glioblastom-Patienten positiv auswirkt, sondern auch ihre Überlebenszeit verlängert. „Von den neun Patienten unserer Fallserie waren zur Zeit der Veröffentlichung bis auf einen alle noch am Leben mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von 22,3 Monaten. Das ist länger, als man erwarten durfte“, erklärte Likar.

Als Grund dafür wird eine Tumor-hemmende Wirkung von CBD vermutet. Auch eine steigende Zahl von Daten aus in vitro und in vivo Forschungen der letzten Jahre weist auf die potenzielle Rolle von CBD als Tumor-hemmenden Wirkstoff hin. „Die zusätzliche Gabe von CBD könnte eine Option für zukünftige Glioblastom-Behandlungen sein, zumal sie auch in der Regel gut verträglich ist“, sagt Likar.

CBD bei Angstzuständen

CBD ist ein Wirkstoff mit großem Potenzial: Studien zufolge könnte er zu einer neuen Behandlungsoption bei psychotischen Symptomen und Angstzuständen werden oder bei Suchterkrankungen eingesetzt werden. Mögliche weitere Einsatzgebiete von CBD sind unter anderem Morbus Parkinson, die Graft-versus-Host-Reaktion bei Transplantationen oder Hauterkrankungen mit starkem Juckreiz. Das bislang einzige in der EU zugelassene CBD-Fertigarzneimittel Epidiolex wird bei seltenen und schweren Formen der kindlichen Epilepsie verwendet.

Experten fordern Aufnahme ins Arzneibuch

Die medizinischen Anwendungen von hochreinem und synthetisch hergestelltem CBD müssen laut Likar allerdings klar vom Gebrauch von frei erhältlichen CBD-Extrakten unterschieden werden.

In zahlreichen europäischen Ländern sind CBD-Extrakte frei erhältlich, die unter anderem als Öle, Tees oder in Nahrungsmitteln verkauft werden. Ihre Verwendung zur Selbstmedikation ist jedoch bedenklich, warnt Prof. Likar: „Oft ist unklar, wie viel CBD die Produkte enthalten. Zudem können sie verunreinigt sein und enthalten immer auch einen gewissen Anteil an THC.“

In Österreich gilt CBD neuerdings als „Novel Food“ und darf ohne Aufnahme in die entsprechende EU-Liste grundsätzlich nicht in den Handel gebracht werden. Das habe jedoch nicht wesentlich zur Klärung der Lage beigetragen, kritisiert Likar. „Im Sinne des Konsumentenschutzes wäre es dringend notwendig, dass CBD in das österreichische Arzneibuch aufgenommen und der einfachen Rezeptpflicht unterworfen wird“, so der Experte. Nur dann sei eine ausreichende Qualitätskontrolle möglich.