Sie sind seit zwölf Jahren komplett zuckerfrei. Aber kann man das überhaupt sagen, wenn man nicht ausschließlich alle Speisen selbst zubereitet?
ANASTASIA ZAMPOUNIDIS: Ich habe einmal einen Schluck gezuckerte Sojamilch in einem Café getrunken, die mir als zuckerfrei verkauft wurde, oder eine Gabel Salat gegessen, der mir mit vermeintlich zuckerfreiem Dressing untergejubelt wurde. Ich schmecke es sofort. Aber von einer so verschwindend geringen Menge passiert kein Rückfall. Ansonsten speise ich sehr puristisch in mir fremden Lokalitäten und ich habe immer etwas zu essen mit.

Sie bezeichnen einen Besuch bei einer TCM-Ärztin als Ihre „Anastasis“. Warum war das für Anastasia Zampounidis eine Art Auferstehung?
ZAMPOUNIDIS: Die Ärztin hatte sofort erkannt, dass mein Körper völlig aus der Balance geraten war und empfahl mir den Industriezucker aus meinem Speiseplan zu verbannen. Für mich war dieser Praxis-Besuch im April 2006 tatsächlich meine ganz persönliche „Anastasis", da ich seitdem eine völlig neue Lebensqualität erlangt habe, die ich nie mehr missen möchte.


Sie bezeichen sich selbst gerne als „trockenen Sugarholic“. Welche körperlichen Auswirkungen hatte der jahrelange hohe Zuckerkonsum genau bei Ihnen?
ZAMPOUNIDIS: Ich fühlte mich generell schlapp am Morgen, das Nachmittagstief und auch die alljährliche Frühjahrsmüdigkeit blieben nicht aus. Ich hatte zwar keine Problemhaut, aber regelmäßig ragte ein Pickel hier und da mal hervor. Zudem hatte ich Cellulite. Und ich hatte diese unsäglichen Heißhunger-Attacken, täglich und noch schlimmer einmal im Monat, aufgrund der hormonellen Schwankungen bei Frauen. Die miese Laune in diesen Tagen war auch sehr belastend. Krämpfe konnte ich damals nur mit starken Schmerztabletten dämpfen. Das alles gehört durch den Zuckerverzicht der Vergangenheit an.


Wie lange hat es gedauert, bis Sie erste positive Veränderungen durch den kompletten Zuckerverzicht bemerkten?
ZAMPOUNIDIS: Schon in der ersten Woche habe ich mich körperlich fitter, leichter und klarer im Kopf gefühlt. Nach spätestens drei Wochen hat der Heißhunger komplett aufgehört und kam auch nie wieder. Ich bin seitdem entweder nur hungrig oder satt. Und wenn ich Hunger habe, muss ich nichts Bestimmtes essen, sondern entscheide frei, auf was ich Lust habe. Das ist ein großer Unterschied zu früher, als ich immer Zucker gebraucht habe. Deswegen fühlt sich die zuckerfreie Diät für mich auch nicht wie ein Zwang oder eine Kasteiung an.


Im Gegensatz zu Ihrem ersten Buch ist das neue vor allem ein Kochbuch. Haben Sie schon immer gerne gekocht – oder ist Ihre Begeisterung fürs Kochen aus der Not heraus entstanden, weil komplett zuckerfreie Speisen, als Sie mit der Ernährungsumstellung begannen, noch kein großes Thema waren?
ZAMPOUNIDIS: Ich habe 37 Jahre lang nicht gekocht, so viel zu meiner Vorliebe. Mein Auftrag in dieser Welt ist definitiv nicht das Kochen, Aber ich musste damals damit anfangen – und es vor allem erst einmal lernen. Sehr Einfaches zu Beginn, nach und nach kamen aufwändigere Rezepte dazu, aber immer noch leicht nachzukochen. Gerade die auf den ersten Blick sehr einfachen Rezepte in meinem Kochbuch haben es emotional in sich: Wir nähren nicht nur unseren Körper auf physischer Ebene, sondern eben auch unsere Gefühle. Dadurch muss ich meine Nahrung nicht mehr als Ersatz für oder gegen etwas einsetzen, sondern esse mich einfach nur glücklich. Wenn auf emotionaler Ebene nichts fehlt, muss Essen „nur“ noch das sein, was es eigentlich auch sein will: „Sprit tanken“ und Glücksgefühle erzeugen.


Datteln sind die einzige Süße, die in Ihrem Leben und Ihren Rezepten vorkommt. Kokosblütenzucker oder Reissüße etwa wären ja auch kein verarbeiteter Zucker.
ZAMPOUNIDIS: Kokosblütenzucker kann man meiner Meinung nach als Übergang für rund drei Monate durchaus verwenden, wenn man es sonst nicht schafft, vom Industriezucker loszukommen. Aber dann sollte man ihn auch verbannen. Ich selbst nehme ihn nicht zu mir. Jede extreme Süße würde mich wieder auf die selbe Intensität von Industriezucker zurückkonditionieren und der Schritt zum weißen Gift wäre nicht mehr weit.Jeder natürliche Zucker in seinem natürlichen Kontext, wie etwa ein Apfel oder eine getrocknete Dattel ist vollkommen ok. Zum einen kommt nicht nur Fruchtzucker extrahiert auf uns zu, sondern alle Vitamine, Mineralien und vor allem Ballaststoffe, die uns satt machen, weil das Sättigungshormon Leptin ausgeschüttet wird. Und zum anderen reguliert der Körper die Zufuhr von allein: Früher konnte ich eine ganze Tafel Schokolade auf einmal essen – und ich bin winzig. Heute wird mir bei fünf Medjool-Datteln fast schlecht. Deswegen nimmt auch jeder, der anfängt, sich zuckerfrei zu ernähren automatisch ab ohne zu hungern.


Sie nehmen auch auf den britischen Wissenschaftler John Yudkin Bezug, der bereits Anfang der 1970er-Jahre ein Buch über die Gefahren von Zucker veröffentlichte. Warum dauerte es dann noch Jahrzehnte, bis dieses Thema eine breite Öffentlichkeit fand?
ZAMPOUNIDIS: Das ist tatsächlich eine sehr gute Frage. Ähnlich wie die Tabakindustrie es über Jahrzehnte geschafft hat, den Konsumenten davon zu überzeugen, dass Rauchen nicht gesundheitsgefährdend ist, hat die Zuckerindustrie weltweit mit geförderten Studien den Zucker als harmlos dargestellt. Gleichzeitig kürte sie Fett als einzigen Schuldigen für Übergewicht und die einhergehenden Folgeerkrankungen. Heute wissen wir es zum Glück besser dass es auch sogenannte „gute“ Fette gibt, auf die wir nicht verzichten sollten.


Sie verzichten komplett auf Zucker, schwören auch auf TCM und Ayurveda und haben zwischendurch noch dazu vegan gelebt. Sind so viele Ernährungsvorgaben im Alltag nicht manchmal einfach furchtbar anstrengend?
ZAMPOUNIDS: Ich denke, unsere Spezies ist nicht dafür gemacht, streng und unter ständigem Zwang durchs Leben zu gehen. Das führt früher oder später zum „Backflash“, oder bei der Ernährung eben zum „Jojo-Effekt“. Die Leichtigkeit des Lebens sollten wir uns trotz aller Widrigkeiten unserer Zeit beibehalten. Gerade wenn es ums Essen geht. Ich empfinde pure Freude beim Essen und Zubereiten. Alles andere wäre ein Zeichen, dass etwas nicht stimmt. Und das muss nicht unbedingt mit einem Ernährungsplan zu tun haben. In meinen Büchern biete ich viele Optionen an, die ich über Jahre ausprobiert habe und die es mir ermöglicht haben, mit Leichtigkeit und Freude zuckerfrei zu bleiben. Man muss nicht sofort alles anwenden, ich fordere immer wieder zur Eigenverantwortung und zum selbst Ausprobieren auf. Aber mit meinen Erfahrungen kann man wie bei Ikea die Abkürzung nehmen und muss nicht durchs ganze Möbelhaus spazieren, obwohl man ja nur Teelichter im unteren Geschoss kaufen möchte.


Warum essen Sie jetzt doch wieder Eier und Feta-Käse und verwenden diese auch bei Rezepten in Ihrem neuen Buch?
ZAMPOUNIDIS: Nach acht zuckerfreien Jahren zuckerfrei war ich zwei Jahre vegan. Dann neigte sich mein Vitamin-B12- Depot gen null, sodass ich substituieren musste. Interessanterweise verweigerte ich mich der von mir gekauften Tabletten, das war damals im Griechenland-Urlaub. Da ich gegen Massentierhaltung und Tierquälerei bin, kam ich auf die glücklichen Hühner meiner Tante. Und der nette Nachbar stellt selbst Feta-Käse her von seinen glücklichen Schafen. Beides Vitamin-B12-Bomben, die seitdem wieder in meinem Speiseplan bin. Ich bin immer auf der Reise, offen für Neues, nur eines bleibt für immer: Zuckerfrei.

Und wie halten Sie es mit Alkohol? Der ist ja - in anderer Form natürlich – in gewisser Weise auch Zucker. 
ZAMPOUNIDIS: Ist er. Ich habe ehrlich gesagt gar keine Lust mehr auf Alkohol, ganz ohne Zwang oder Vorsatz. Aber wenn es mich wieder einmal überkommen sollte, dann Wodka auf Eis mit Zitronensaft oder ein Bier. Vorher und nachher Wasser trinken, mindestens eine Stunde vorher essen kann auch nicht schaden. Weinliebhabern empfehle ich trockenen Wein.

Sie sprechen gerne von den „Ose"-Monstern. Warum sind diese Ihrer Meinung nach so eine große Gefahr für unsere Gesundheit?
ZAMPOUNIDIS: Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass wir nur 20 Prozente unseres täglichen Zuckerkonsums bewusst in Form von Schokolade oder Kuchen zu uns nehmen, 80 Prozent sind versteckt in Wurst, Salzgebäck oder Senf. Und darin liegt die Gefahr. Die Zuckerindustrie behauptet zwar, dass der Zuckerkonsum in den vergangenen 30 Jahren gleich geblieben ist und somit an der „adipösen Epidemie“ nicht schuld sein kann, aber diese Zahlen beziehen sich nur auf den Haushaltszucker. Mittlerweile werden noch viel mehr Sorten von Zucker unseren Nahrungsmitteln zugesetzt, allen voran Isoglukose, nichts anderes als Sirup. Und diese anderen Zuckersorten haben sich in der selben Zeit versechsfacht. Die Folge: Wir werden immer dicker, gerade auch Kinder. Das führt vermehrt zu HerzKreislauf Erkrankungen, Gelenkproblemen, Diabetes Typ2.


Bei Ihnen selbst hat man das Gefühl, dass das, was sie tun, kein Verbot ist und auch kein Verzicht. Sie sprechen aber auch die Gefahr der Orthorexie an. Was wären Ihre Tipps, um nicht eine übertriebene Beschäftigung mit gesunder Ernährung zu entwickeln und vor allem nicht den Spaß am Essen zu verlieren?
ZAMPOUNIDIS: Ich glaube, ich kann das ganz gut persönlich vermitteln. Grundsätzlich ist es wichtig, emotionales Essen zu erkennen und sich deswegen nicht zu verurteilen. Die Zuckerindustrie und Politik redet immer von Eigenverantwortung, vor allem bei Eltern, aber durch die stark verzuckerten Rezepturen der Produkte im Supermarkt, die fehlende Transparenz und das unsägliche Kindermarketing, sind wir beim besten Willen nicht schuld an einem gestörten Essverhalten. Es ist wie es ist, aber wir können es ändern. Nicht verzweifeln, es gibt für alles den richtigen Zeitpunkt, auch für einen zuckerfreien Start. Lieber warten und gut vorbereitet starten. Ich denke einmal am Tag - voller Vorfreude - darüber nach, was ich heute essen mag und essen werde. Das ist eine gute Richtlinie.


Ihre Wurzeln liegen in Griechenland, das ja auch für besonders süße Nachspeisen bekannt ist. Wie hat Ihre Familie Ihre Ernährungsumstellung aufgenommen? Und wie sieht es überhaupt mit dem sozialen Aspekt aus, wenn man zum Beispiel nie Geburtstagstorte oder Weihnachtskekse isst?
ZAMPOUNIDIS: Meine Mama hat sich schnell beruhigt, als sie sah, wie ich beim Essen nach wie vor zuschlage. Schließlich ist die mediterrane griechische Küche zuckerfrei - abgesehen vom Dessert natürlich. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen einen selbst spiegeln. Da ich weder konfrontiere, noch missionieren möchte, sind Leute in meinem Umfeld auch genauso entspannt wie ich. Ich bringe einfach selbst zuckerfreie Kekse und zuckerfreien Kuchen mit und es schmeckt jedem.

Entschuldigen Sie zum Abschluss die oberflächliche Frage, aber weil der positive Effekt des Anti-Agings durch den Zuckerverzicht bei Ihnen so offensichtlich ist, muss man diese Frage einfach stellen: Sie werden im Dezember 50 Jahre alt, gehen optisch aber als 30-Jährige durch. Wie oft gelingt es Ihnen, Menschen mit Ihrem wahren Alter komplett zu überraschen?
ZAMPOUNIDIS: Ich werde tatsächlich auf Mitte 30 geschätzt und ich überrasche jedes Mal, wann immer ich mein Alter erwähne. Das finde ich lustig und mein Ego schlägt Purzelbäume. Auch wenn meines kleiner ist als bei anderen im Show-Business, es ist dennoch da und freut sich. Aber ich habe mir schon vor langer Zeit die Erlaubnis gegeben, älter werden zu dürfen. Gegen ein Naturgesetz anzugehen erscheint mir nicht besonders schlau. Morgen geht schließlich auch wieder die Sonne auf und vielleicht hat das alles auch seine Richtigkeit.

Anastasia Zampounidis, geboren 1968, startete ihre TV-Karriere beim Musiksender MTV. Es folgten Moderationen für ZDF, Sixx TV, ZDFneo.
Als Autorin veröffentlichte Sie bislang zwei Bücher über ihr zuckerfreies Leben: "Für immer zuckerfrei: Schlank, gesund und glücklich ohne das süße Gift" und "Für immer zuckerfrei - Meine Glücksrezepte", beides erschienen bei Bastei Lübbe