Der Aderlass ist den meisten wahrscheinlich aus dem Geschichtsunterricht ein Begriff. Die antike Methode Blut abzunehmen, um dieses zu reinigen, ist in der Vergangenheit ein beliebtes Verfahren gewesen. Früher ist Aderlass oft eingesetzt worden, wenn die, aus der „Vier-Säfte-Lehre“ bekannten Körpersäfte, Blut, Schleim (Phlegma), gelbe Galle (Cholera) und schwarze Galle (Melancholie), aus dem Gleichgewicht geraten sind. Im Mittelalter hat man sich dabei oft auf die Lehren der Naturheilkundlerin Hildegard von Bingen bezogen. Die unter anderem meinte, Aderlass soll am besten ein bis sechs Tage nach Vollmond durchgeführt werden.

Aderlass im heutigen Österreich

In Österreich wird Aderlass auch heute noch vereinzelt angewendet. Jedoch nur mehr bei seltenen Erkrankungen, wie der Eisenspeicherkrankheit (Hämochromatose). Dabei werden etwa 450 - 500 Milliliter Blut abgenommen, um das überflüssige Eisen aus dem Blutkreislauf zu entfernen. Dieses würde ansonsten die Organe schädigen. „Hämochromatose ist eine genetische Erkrankung, sie wird vererbt und braucht eine lebenslange Aderlasstherapie“, erklärt Thomas Wagner, stellvertretender Klinikvorstand der Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin der Med-Uni Graz.

Grundsätzlich wird nach dem Aderlass, das abgenommene Blut verworfen - anders als bei einer Blutspende. Sind bei der Patientin oder dem Patienten aber noch keine Organschäden aufgetreten, kann das Blut auch in den Kreislauf der Vollblutspenden aufgenommen werden.

Mythos Vollmond

Auf diversen Webseiten von Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern, die Aderlass anbieten, steht, dass dabei mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Zum einen soll man nüchtern zum Termin kommen (also weder essen noch trinken) und sich auch nicht die Zähne putzen. „Wir raten den Patienten immer vorher zu essen und zu trinken, weil sie sonst Volumen (Flüssigkeit) verlieren und dann kann es zu Kreislaufproblemen kommen“, berichtigt Wagner.

Oft wird auch vom „Hildegard“-Aderlass gesprochen, dabei handelt es sich um einen Aderlass in den ersten sechs Tagen nach Vollmond. Laut ihrer Theorie würde der Mond das Blut beeinflussen. „Da schießt man aber manchmal über das Ziel hinaus und es geht in Richtung Esoterik“, erklärt Wagner. Die Indikationen, die dafür hergenommen werden, entsprechen nicht den schulmedizinischen Standards. Auch die „Vier-Säfte“-Lehre kann man naturwissenschaftlich nicht bestätigen. Ganz lehnt Wagner die Lehren von Hildegard nicht ab: „Man kann von Hildegard von Bingen sicher viel lernen, bei der Behandlung des Patienten, ihn als Menschen zu betrachten“.

Aderlass als Kassenleistung

In Österreich ist der Aderlass eine Kassenleistung, die bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) eingereicht werden kann. Laut der ÖGK ist die Prozedur von Vertragsärzten in den letzten zehn Jahren rund 109.000 Mal durchgeführt worden. Im selben Zeitraum wurden 14.000 Anträge auf Kostenerstattung bei der ÖGK eingereicht.