Die heimische Film- und Theaterbranche wird nach der NDR-Doku „Gegen das Schweigen“ von Vorwürfen gegen prominente Regisseure und strukturellen Problemen wach gerüttelt. Auch die Medienbranche hatte ihre #MeToo-Fälle und gerichtliche Verfahren. Der Verein „Columna V“ will nun – ein Jahr nach Vereinsgründung – eine Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt in der Medienbranche installieren. Bei einer Pressekonferenz wiederholten Branchenvertreterinnen ihre Forderung nach so einer Stelle. „Die Notwendigkeit für so eine Stelle war schon vor einem Jahr mit beiden Händen greifbar“, sagte Astrid Kuffner, die wie Angela Alexa, Katrin Grabner und Sophie Rendl im Vereinsvorstand ist.

Eine anonyme Umfrage in der Branche untermauert das: 70 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben dabei an, Erfahrungen mit Belästigung, Gewalt und Machtmissbrauch zu haben. Drei Viertel erklärten, der Missbrauch sei von Vorgesetzten ausgegangen, die Hälfte erklärte, es ginge von Kollegen oder Kollegin aus und ein Viertel fühlte sich von Interviewpartnern belästigt. Diese Mehrfachgefährdung nach innen und außen nannten die Vorstandsmitglieder ein Spezifikum der Branche. Viele Personen schilderten diverse Vorfälle sehr detailliert. „Es wird einem schlecht beim Lesen“, sagt Katrin Grabner. Mehr als ein Drittel gab an, dass es keine Ansprechperson in ihrer Organisation gebe, um solche Fälle zu melden. Rund 83 Prozent betonten, aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden zu sein, rund 34 Prozent aufgrund ihres Alters. Auch eine Erkenntnis: Befragte, die Übergriffe meldeten, sahen sich mit Rufschädigungen und Anfeindungen konfrontiert. Mehr als 50 Prozent der Betroffenen wurden in Folge Aufträge oder Beförderungen verweigert.

Charakteristisch für die Branche seien starke Abhängigkeiten, große Hierarchien, männlich dominierte Führungsebenen. „Das begünstigt ein Klima, in dem alte problematische Verhaltensweisen tradiert werden können“, erklärt Alexa. Es fehle in der Branche an Fehlerkultur, Konsequenzen nach Übergriffen und Schulungen zum Thema. Viele Personen hätten sich an den Verein gewandt und Missstände wie sexuelle Belästigung, Bedrohung, Herabwürdigung, Rufschädigung oder auch das Anstiften zum Geheimhalten von Fehlverhalten gemeldet. Und: „Die Frage ist, wie können Journalistinnen über Fälle von Gewalt berichten, wenn sie selbst betroffen sind? Wir müssen die Gewaltspirale durchbrechen. Ein System, das verdunkelt, kann nicht aufdecken, so Alexa.

Forderung nach einem politischen Commitment

In Österreich existiere ein gut ausgebautes Gewaltschutznetz. Allerdings fehle es an einer niederschwellig ansteuerbaren, unabhängigen und auf den Medienbereich spezialisierten außerbetrieblichen Anlaufstelle, erklärt Juristin Sophie Rendl. Diese Stelle sollte Betroffene ebenso schützen wie Journalistinnen und Journalisten, die über Übergriffe berichten. Sie forderte ein politisches Commitment für eine solche Vertrauensstelle über Wahlperioden hinweg und eine gesetzliche Verankerung. Auch müsse die Finanzierung abgesichert sein, damit etwa Psychologinnen und Psychotherapeutinnen Beratungen sowie Experten eine juristische Begleitung durchführen könnten. Eine Zusammenarbeit mit Medienhäusern sei angepeilt; auch im Sinne der Prävention und Sicherheit. Viele Betroffene seien unsicher, ob es sich um einen Übergriff handle. Und: „Die Verantwortlichen zögern häufig, ihren Führungswillen einzusetzen. Das führt dazu, dass der Eindruck entsteht, dass Leute, die Übergriffe begehen, keine oder nur geringe Konsequenzen zu befürchten haben.“

„Columna V“ soll die Funktion einer fünften Säule der Demokratie einnehmen, die dazu beitrage, „dass der Journalismus als 4. Säule seine Aufgabe erfüllen kann. „Wir streben einen Kulturwandel innerhalb der österreichischen Medienbranche an und setzen uns für Strukturänderungen, Qualitätsjournalismus sowie Vielfalt ein“, beschloss Rendl.

Statements von den Parlamentsparteien zur Gründung einer solchen Anlaufstelle wurden angefordert. ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS betonten dabei allesamt, wie wichtig der Schutz von Journalistinnen bzw. die freie Ausübung des Jobs sei.