Wenn dieser Donald Duck in den Spiegel blickt, wen sieht er da? Den Pechvogel, den Taugenichts oder den ewig nach einem Job suchenden Erpel? Oder sieht er Phantomias, den Agenten Doppel-Duck oder gar die übergroße Legende, die als kleiner, fauler Matrose am 9. Juni 1934 in den Lichtspieltheatern der USA das Licht der Welt erblickte und seitdem seine Macher von Disney glücklich macht? Und seine Rachefantasien sollte man nicht unter den Teppich kehren – wie kann dieser Donald doch aufbrausend sein.

Doch dieser Donald ist mehr als die Summe seiner Teile: „Donald ist keine Ente, er sieht nur wie eine aus“, hat Carl Barks einmal gesagt. Er ist nicht bloß eine Comicfigur, wenn er in der Geschichte „Der Aussteiger“ sein Pinkerl packt und den lärmenden Moloch Entenhausen und seine Neffen mit diesen Worten hinter sich lässt: „Eines Tages seid ihr total kaputte Typen. Doch dann ist es zu spät!“ Donald zieht sich wie weiland Henry David Thoreau in die Wälder bei Concord am Walden-See in die Wälder von Entenhausen zurück, um dort nicht Frust, sondern Frieden zu finden. Ein Charakteristikum der Moderne ist gerade der Befund, dass sich alles beschleunigt: Die Autos rasen an Donalds Haus in der Blumenstraße Nummer 13 vorbei, Flugzeuge dröhnen über seinen Garten hinweg. Donald selbst (oder seine Zeichner und Autoren) tragen zu dieser Beschleunigung bei, wenn er im Laufe seines Comic-Lebens, ohne zu altern, in jede nur denkbare Rolle schlüpft: Er war Postler, Weihnachtsmann und Flugkapitän der Anten-Air und im neuesten Lustigen Taschenbuch (LTB 506) verschwimmen an der Seite von Kommissar Schimauski die Grenzen zwischen Filmwelt und Entenhausen, wenn er als „Tatort“-Polizist ermittelt.

Rasender Stillstand

In der realen Welt führt die Erhöhung des Lebenstempos dazu, dass wir uns in einem rasenden Stillstand befinden – wie der französische Geschwindigkeitstheoretiker Paul Virilio sagen würde – und in Richtung einer ereignislosen Langeweile bewegen. Stillstand, so der deutsche Soziologe Hartmut Rosa, sei die Kehrseite der sich „steigernden Veränderungs- und Handlungsgeschwindigkeiten“.
Doch so sehr Donald auch von Job zu Job eilt und sein Leben beschleunigt, so wenig trifft für ihn (mit einem Augenzwinkern) der Zustand der Langeweile zu. Alle Anatidae (Entenvögel) und alle Hominidae finden sich in Donald wieder. Doch wer weiß, vielleicht spielt uns Donald – egal ob als tölpelhafter Kommissar oder wütender Schnatterich – ja nur etwas vor, damit wir amüsiert bleiben, während er seine wahre Identität vor uns verheimlicht.
Wer dem für die Anthologie „Die Ente – die Legende“ gezeichneten Cover-Donald von Ulrich Schröder genau ins Gesicht schaut, sieht etwas aufblitzen in Donalds Augen. Man sieht einen Enterich, der weiß, dass er ein Superstar ist. Vielleicht hält uns Donald in all seinen Rollen nur den Spiegel vor – und wir lachen am Ende gar nicht über ihn, sondern über uns selbst und unsere eigene Achterbahnfahrt der Gefühle.

Jetzt im Comic

Im Egmont-Ehapa-Verlag feiert man die berühmteste Ente der Welt quasi ein Jahr lang. Schon jetzt erscheinen Sonderausgaben zum Geburtstag: Den Auftakt der Feierlichkeiten macht Walt Disney Lustiges Taschenbuch (LTB) mit einer vierbändigen Sonderedition. Band Nr. 1 „90 Jahre Donald Duck“ erscheint am 12. März im Handel und widmet sich Tick, Trick und Track.