Der Streaming-Riese Netflix zeigt immer wieder abgründige Dokus, in denen es um das Zusammenspiel von digitalen Plattformen und dem menschlichen Sexualtrieb geht (beispielsweise "Hot Girls Wanted"). Die neue Doku "Money Shot: The Pornhub Story" rückt nun Pornhub ins Zentrum. Die Plattform steht immer wieder massiv in der Kritik, zugleich gilt sie mit 3,5 Milliarden Besuchen im Monat als eine der meistbesuchten Pornoseiten der Welt. In der Doku geht es einerseits um die skandalösen Geschäftspraktiken von Pornhub, andererseits werden Menschen vor die Kamera geholt, die von der Plattform stark abhängig sind: die Darstellerinnen und Darsteller.

"New York Times"-Enthüllungen

Vor zwei Jahren sorgte ein Artikel in der "New York Times" für einen öffentlichen Aufschrei in den USA. Es ging um illegal auf Pornhub hochgeladene Videos, die Vergewaltigungen und kinderpornografische Inhalte zeigten. Die Opfer waren dem Tun gegenüber machtlos: Selbst wenn sie die Löschung der Videos beantragten, wurden Kopien davon innerhalb kürzester Zeit wieder hochgeladen. Bei Pornhub kann jeder User Inhalte hochladen, egal ob er die Videos selbst erstellt hat oder nicht. Über diese Causa und die dadurch ausgelösten Debatten berichtet die Doku ausführlich. Der New-York-Times-Journalist, der den Beitrag verantwortete, kommt ebenso zu Wort wie die Vertreterinnen von Organisationen, die an den Enthüllungen beteiligt waren.

In weiterer Folge wird auch die Frage gestellt, welche Konsequenzen die Enthüllungen für die Porno-Plattform hatten. Aufnahmen von Videotelefonaten zeigen, wie sich mächtige Pornhub-Vertreter kritischen Befragungen von Politikern stellen mussten. Konkretes erfährt man allerdings wenig – außer, dass ein privates Haus des damaligen Pornhub-CEOs Feras Antoon von Unbekannten in Brand gesteckt wurde. Die Doku deutet an, wie heikel das Geschäft des Porno-Riesen ist und warum sich das Unternehmen dahinter, MindGeek, so bedeckt hält. Zugleich erfahren wir aber auch nicht mehr darüber, außer dass das Geschäft irgendwie schmutzig ist und die Drahtzieher lieber im Verborgenen bleiben.

Sex-Arbeiter geraten unter Druck

Dann geht die Doku auf Folgewirkungen der "New-York-Times"-Enthüllungen ein. Denn während sich der Schaden für das Geschäftsmodell von Pornhub selbst in Grenzen hielt, brachte es die ganze Porno-Branche weiter in Verruf. Die Doku stellt sich dabei klar auf die Seite der Porno-Darstellerinnen und -Darsteller, die sich durch den immer stärker angekratzten Ruf der Branche und neue Gesetze in ihrer Tätigkeit zunehmend eingeschränkt fühlen. Denn obwohl sie sich stets an Regeln und Gesetze hielten und nichts mit den kriminellen Machenschaften von Pornhub zu tun hatten, wurden sie nach den "New-York-Times"-Enthüllungen damit in Verbindung gebracht.

Die Porno-Darstellerin Siri Dahl erzählt etwa, dass sie mittlerweile kaum mehr auf Social-Media-Plattformen wie Instagram präsent sein kann, ohne dass sie dort zensiert wird, seitdem dort noch stärker auf die Distanz zur Porno-Branche geachtet wird. Die Doku suggeriert, sie sei als Sexarbeiterin zu einem Spielball von Tech-Giganten, Wirtschaftsinteressen und der öffentlichen Meinung über die Porno-Branche geworden. Über "OnlyFans" versuchte Dahl zunächst, sich von Plattformen wie Pornhub unabhängig zu machen. Aber aufgrund des großen Drucks von Kreditkartenfirmen wie Mastercard würden ihre Möglichkeiten zunehmend weniger, sagt sie: "Nicht nur Social Media, sondern auch die Finanzinstitute haben beeindruckend viel Macht über die Porno-Branche. Den meisten Konsumenten von Pornos ist das Ausmaß davon überhaupt nicht bewusst".

Die Porno-Branche hat zu viele Probleme

Die Regisseurin der Doku, Suzanne Hillinger, versucht Pornhub im Spannungsfeld zwischen der Macht von Tech-Plattformen, abhängigen Sex-Arbeiterinnen und -Arbeitern und dem gigantischen Problem von kinderpornografischen Darstellungen im Internet zu zeigen. Allerdings gelingt ihr das nur bedingt: Die angesprochenen Probleme sind zu vielschichtig für die eineinhalb Stunden. Die einzelnen Fragen in einem Serien-Format zu behandeln und in jeder Folge einer Frage einzeln nachzugehen, könnte hier eine weiterführende Möglichkeit darstellen.

Dann hätte die Doku einen klareren Fokus. Denn so bleibt ungeklärt: Wer sind jetzt eigentlich die Interessensgruppen, die im Porno-Business mitmischen und was wollen sie? Wer sind die Leidtragenden, wer die Profiteure? Ein interessanter Einstieg in das Thema ist die Doku aber dennoch, weil viele der aufgezeigten Probleme hierzulande noch wenig bekannt sind. Und das, obwohl Pornhub auch einen Österreich-Bezug hat: Über den mysteriösen Konzern "MindGeek", der hinter Pornhub steht, ist zwar nur wenig bekannt. Wie österreichische Journalisten der Recherche-Plattform "Dossier" 2021 herausfanden, gehört er jedoch zur Hälfte dem Oberösterreicher Bernd Bergmair.