Natürlich lässt sich leicht über den "lieben Ed" lästern. Die Inszenierung als "Normalo von nebenan" ist allzu durchsichtig, die Songs sind auch keine Ewigkeitshymnen und überhaupt: oberflächlichliches Pop-Business, pfuigaga.

So kann man das sehen. Oder man kann sich den rothaarigen Wunderwuzzi live ansehen und vor allem anhören - und wird dann schnell an einem Punkt angelangen, an dem man sagt: Wow, der Kerl wird nicht von ungefähr zu gehypt - und offenbar auch geliebt von seinem Publikum.

Ed Sheeran im Wiener Happel-Stadion also. Dienstag abend lockte der Engländer 50.000 Menschen hierher, für Mittwoch ist das Stadion noch einmal restlos ausverkauft. Vor dem Stadion der übliche Merchandising-Rummel: Teddybären als Schlüsselanhänger um 15 Euro, Hauberl um 25 Euro, T-Thirts kosten 30 Euro, die Ed-Sheeran-Jeansjacke gibt es um 80. Auffällig viele Sheeran-Look-Alikes sind zu sehen - Zufall oder Absicht? Egal. Drinnen im Stadion legt jetzt der echte Star los.

Exakt um 20.45 läuft der rothaarige Troll auf die Bühne und startet mit dem Song "Castle On The Hill" in den Abend. Die Bühne ist fast leer. Keine Band, kein Background, nur der Mann und seine Gitarre - und einige Fußpedale. Davon später. Bereits ab den ersten Takten weiß man, dass Sheeran keinen Chor braucht, er hat ja das Publikum. Ab dem dritten Song erstrahlt das Stadion im Handylichtermeer.

"Alles, was ihr hier heute Abend hört, ist meine Gitarre und meine Stimme", betont der ehemalige Straßenmusiker und nunmehrige Mega-Seller. Nur Stimme und Gitarre - kann das gutgehen? Reicht das für eine Riesenbühne? Ist das nicht fad? Es ging gut, es reichte, es war nicht fad.

Zurück zu den Fußpedalen. Sheeran dupliziert live Stimme und Gitarre, schafft dadurch seine eigenen Loops, die er dann im Laufe der Songs einspielt. Solcherart hat man oft den Eindruck, dass eine ganze Band am Werk ist. Dabei ist es nur eine grandiose One-Man-Show, wobei sogar das Wort "Show" übertrieben ist. Riesige Vidi-Walls und ab und zu kleinere Lichtspielereien - das muss reichen. Tut es auch.

Sheeran spielt sich locker und lässig durch seine Hits. Ab und zu sitzt ein Ton nicht, das macht ihn erst recht sympathisch. "The A Team" taucht auf, das "Galway Girl" und "Nancy Mulligan" kommen auf Besuch, und als Zugaben gehen "Shape Of You" und "You Need Me, I Don't Need You" im kollektiven Kreischen unter.

Wie ein junger Wildfang hoppelt der Künstler über die Bühne. Dass er nicht tanzen kann, gibt er gleich am Beginn zu. Bekleidet ist er mit schwarzer kurzer Hose und Schlapper-Shirt - ganz normal eben, wie wir wissen. Die Kommunikation mit dem Publikum ist locker, so wie der Typ auf der Bühne selbst. Dem Land Österreich streut er immer wieder Blumen. Gute Schnitzel gäbe es hier -und höfliche Menschen sowieso.

Nach knapp zwei Stunden ist die spektakuläre Nicht-Show zu Ende und ein durchschwitzter Ed trollt sich von der Bühne. Fazit: Wenn das die neue Normalität im Pop-Geschäft ist, lässt sich gut damit leben.