Es könnte der Beginn eines schlechten Witzes sein: Steht ein rothaariger Brite in einem Pub in Southampton und rappt. Nur hat Ben Cook, Chef von Atlantic Records, damals im Jahr 2010, den Witz auch zu Ende gedacht. Cook ist auch derjenige, der noch immer lacht, weil ihm schnell klar war, dass er vor einem singenden Jackpot steht. Sein Name: Ed Sheeran.

Seitdem ist viel passiert: Der Brite spielt nur mehr selten in Pubs, sondern in Stadien, in sehr großen Stadien. Die Konzerte sind in der Mehrzahl ausverkauft, noch ehe sie angekündigt sind – wie jene beiden am 7. und 8. August im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Für den „Rolling Stone“ ist er, mit Ausnahme von Justin Bieber, der wohl berühmteste Popstar der Welt. Multipliziert man die beiden, kommt vielleicht eine Atomrakete heraus. Oder ein Song mit dem Titel „Love Yourself“ – geschrieben von Ed Sheeran für Justin Bieber. Natürlich ging der Song verkaufstechnisch durch die Decke, wie offenbar alles, was Ed Sheeran an Musik und Texten so fabriziert. Er, ein begeisterter Fußballfan aus Halifax, der durchaus gerne trinkt und hin und wieder zur Gitarre greift. Ist also jeder Brite mit Hang zur Hausmusik ein Ed Sheeran? Falscher Umkehrschluss, andere Rechnung.


Drei Alben hat der 27-Jährige bislang veröffentlich: „+ (plus)“, „× (multiply)“ und „÷ (divide)“, es ist also Zeit für eine Abrechnung, eine Subtraktion, um den Kern von Ed Sheeran freizulegen: Die größten Popstars umgibt für gewöhnlich eine Art von Aura. Das kann glitzern, und leuchten, manchmal auch abstoßend-anziehend sein. Darunter schimmert für gewöhnlich ein Abschluss in den schwierigen Fächern der Popakademie: Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll – unterzeichnet mit Blut, Schweiß und Tränen.

Und überhaupt schwebt über all dem für gewöhnlich eine große Erzählung, eine Art kosmische Erscheinung. Der Popstar, der Musikgeschichte schreibt, der wie ein Seismograph die Wellen der Veränderung in der Gesellschaft wahrnimmt, sie in Musik umwandelt und ausspielt. So in etwa macht man Legenden. Wir wollen festhalten: Ed Sheeran ist nichts von alldem. Kein Glamour, keine Allüren, keine Skandale. Er ist so geradlinig wie seine Karohemden. Er sagt Sätze wie: „Talent macht nur 30 Prozent aus, Arbeit die anderen 70. Du machst dein eigenes Glück, indem du hart arbeitest.“

Und er steigt einfach so aus, haut für ein Jahr ab, wie im Dezember 2015. Kein Popstar verlässt freiwillig die Mine, wenn man gerade erst auf eine Goldader gestoßen ist. Sheeran schon: „Ich mache eine Zeit lang Pause von meinem Telefon, von E-Mails und sozialen Medien. Ich hatte in den vergangenen Jahren solch eine fantastische Zeit. Aber ich sehe die Welt nur noch durch einen Bildschirm und nicht durch meine Augen.“ Ein Jahr lang geht er auf Weltreise. Mit seiner Freundin Cherry Seaborn, er kennt sie seit Kindheitstagen. Ihr widmet er sein Lied „Perfect“ – eine Ode an die Liebe, in der es nicht um die von außen definierte Perfektion geht, sondern um ein ganz persönliches Gefühl, das sich zwischen zwei Menschen einstellt. Emotion, die man nicht kaufen kann.

Vielleicht ist das der Kern von Ed Sheeran, steht unter seiner Rechnung folgende Summe: Er weiß, dass am Ende des Tages der Glamour überbordender Bling-Bling-Maschinen wie Instagram einfach so verpuffen kann. Dass man diesen Maschinen zwar nie ganz entkommt, aber man selbst die Hintertür einen Spalt weit öffnen kann.

Ed Sheeran, die manchmal wehklagende, aber viel öfter auch die optimistische Stimme der Millennials. Einer, der weiß, dass man in der Welt der Gig Economy, der unendlichen Rastlosigkeit, doch hin und wieder eine Tankstelle braucht, an der man sich aufladen kann. Dann stellt er sich mit seiner Gitarre auf die Bühne, allein, wohlgemerkt, vor ihm Zehntausende Menschen, die mit ihren Smartphones ein Blitzlichtgewitter lostreten und ihrem Ed auch so seine ganz eigene Aura verschaffen.