1 Der „Tatort“ gliedert die Woche: Er beendet sie, geht sich auch nach langen Samstagnächten noch aus oder liefert das perfekte Alibi für den Sonntagabend auf der Couch.
2 Er verbindet: Welche Serie sonst kann man mit Partnern, Freunden sowie der Familie anschauen? Und auch noch mit Kollegen debattieren?
3 Auf Twitter wird unter #tatort seit 2007 pointiert mit ermittelt, wenn Klaus Doldingers Fanfare mit Udo Lindenberg am Schlagzeug ertönt.
4 32 Sekunden dauert der Vorspann mit dem Auge im Fadenkreuz. So zeitgemäß sich die Reihe sonst gibt, das Signet steht unter TV-Denkmalschutz.
5 Egal, wie grausam die Verbrechen sind, nach 90 Minuten ist das Böse meist identifiziert, gefasst und das Gute hat gesiegt. Gute Nacht!
6 Der allererste „Tatort“ vom 29. November 1970 war ein „Experiment“ vor der Kulisse des geteilten Deutschlands. Es war der zweite Film mit Kommissar Paul Trimmel, der erste („Exklusiv“) wurde später als Episode 9 integriert.
7 Anfangs ein Mal pro Monat ausgestrahlt, ist der „Tatort“ heute längstdienende Reihe mit bis zu drei neuen Fällen.
8 Die Reihe funktioniert wie Deutschland, Österreich und die Schweiz: föderalistisch. Mitsamt aller Eigenheiten und Unverständlichkeiten (Dialekt).
9 In 23 TV-Kommissariaten wird aktuell ermittelt, 2020 neu in Saarbrücken und Zürich.
10 Mit dem Abspann heute Abend werden insgesamt 1130 verschiedene Fälle ausgestrahlt worden sein.

Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer: Seit 2011 im "Tatort" vereint.
Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer: Seit 2011 im "Tatort" vereint. © ORF


11 Der „Tatort“ geht mit der Zeit – oder versucht es: Drehte es sich in den 1970ern Themen wie Abtreibung, RAF-Terrorismus oder Nazi-Vergangenheit, sind es heute Künstliche Intelligenz oder Big Data.
12 Klassische Motive wie Eifersucht oder Gier bleiben.
13 Soziologen untermauern es: Der „Tatort“ ist ein Seismograph. Er greift reale gesellschaftliche Themen und Abgründe auf: von Leiharbeit bis Migration, von Prostitution bis Sterbehilfe, von Zwei-Klassen-Medizin bis Mobbing.
14 Im Gegensatz zur Realität nimmt die Zahl der Toten im „Tatort“ zu. Waren es 1994 nur 26 TV-Leichen, starben 2018 bereits 96 Figuren.
15 Bis Ende 2016 wurden Opfer im „Tatort“ am häufigsten erschossen (856), erschlagen (254) und vergiftet (175).
16 In 21 Fällen fehlen bis Ende 2016 die Leichen, die meisten Opfer – nämlich 51 – zählt der Fall „Im Schmerz geboren“ (2014) mit Ulrich Tukur.
17 Die häufigsten „Tatort“-Mörder sind nicht Profikiller, sondern Manager.
18 Florian Bartholomäi hat den ehrfürchtigsten Titel: „Tatort“-Rekordbösewicht. Als Markus Graf lehrt er dem Dortmunder Team am 2. Februar erneut das Fürchten.
19 Für alle U-30: In den 1970ern gab es weder Streaming, noch Privatfernsehen noch Internet: Der Fall Nachtfrost“ errreichte 1974 auch 76 Prozent (!) aller Haushalte in Deutschland.
20 Die aktuellen Quotenkaiser sind Boerne und Thiel aus Münster: 2019 erreichten sie im Schnitt 13,26 Millionen Zuschauer.
21 Sechs Folgen von 1972 bis 2014 befinden sich im „Giftschrank“ – sie dürfen nicht (mehr) ausgestrahlt werden.
22 Trotz aller Wiederholitis gibt es einige Archiv-Leichen. Der Fall „Riedmüller, Vorname Siggi von 1986“ wurde das letzte Mal 1988 wiederholt – vor mehr als 30 Jahren.
23 Neun Mal seit 1970 doppelten sich Titel – etwa „Herzversagen“ (1989, 2004).
24 Heute unvorstellbar: Früher wiederholte die ARD die Krimis vormittags.
25 Der König starb 2016: Götz George alias Horst Schimanski gilt als der kantige Paradekommissar schlechthin. Amtszeit: 25 Einsätze in zehn Jahren.

Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, l) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) sind am Sonntagabend wieder in Köln im Einsatz.
Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, l) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) sind am Sonntagabend wieder in Köln im Einsatz. © ORF


26 Nicht planmäßig verliefen die Dreharbeiten für den Fall „Der Fluch der Mumie“ (2010). Ein Stunt missglückte, das Fluchtauto versank im Hafenbecken in Münster.
27 Feuer aus? Die Krimiserie wird als das letzte Lagerfeuer im deutschsprachigen Fernsehen bezeichnet.
28 Österreich sperrte sein Wiener „Tatort“-Büro erst 1971 auf – mit Oberinspektor Marek (Fritz Eckhardt), der bis 1987 mit Intuition und Bierbauch ermittelte und schon davor Kult war.
29 Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Heuer verabschiedet sich u. a. Aylin Tezel. 2022 verlässt Meret Becker den „Tatort“.
30 Am Anfang war das Chaos. Der Süddeutsche Rundfunk machte Anfang der 1970er aus einer Doku kurzerhand einen „Tatort“. Grund: akute Zeitnot.
31 Das föderale System als Stärke der Serie: größtmögliche Regionalität und Flexibilität. Jeder ist ersetzbar.
32 Längstdienende Kommissarin: Ulrike Folkerts mit 30 Dienstjahren.
33 Eine Weile dabei ist auch Harald Krassnitzer (1999). Seit 2011 arbeitet er mit Adele Neuhauser zusammen.
34 Der Allzeit-Quotenrekord wurde 1978 aufgestellt: 26,5 Millionen Zuseher. Heutzutage unerreichbar.
35 Drei Folgen wurden speziell für das Kino produziert. Zuletzt „Off Duty“ 2016.
36 „Trautmann“ mit Wolfgang Böck sollte 2002 den Krassnitzer „Tatort“ ersetzen. Grund für die abgesagte Revolution: Die ARD fand den Wiener Dialekt unverständlich.
37 Als alte Formel gilt bis heute: je interessanter die Gastrollen, desto besser die Episode. Die Qualität des Bösen ist Trumpf.
38 Die Ermittler werden immer brüchiger. Paradebeispiel: Dortmunds Peter Faber (Jörg Hartmann).
39 Ohne Zukunft: Jede „Tatort“-Episode steht für sich. Langfristige Entwicklungen der Figuren sind gering.
40 Als „Tatort“-Erfinder gilt Gunther Witte. Der Konzeptentwickler starb 2018 im 83. Lebensjahr.

Dortmund ist anders: Martina Bönisch (Anna Schudt) und Peter Faber (Jörg Hartmann).
Dortmund ist anders: Martina Bönisch (Anna Schudt) und Peter Faber (Jörg Hartmann). © ORF


41 Als größter Flop gelten die Berliner Episoden mit Kommissar Roiter (Winfried Glatzeder) zwischen 1996 und 1998. Auch am Ende der Qualitätsleiter liegt die Impro- Folge „Babbeldasch“ (2017).
42 Für einige Kommissare war schon nach einer Folge Schluss. Zu ihnen gehört auch Christoph Waltz.
43 Für die Rolle des Professor Boerne (Jan Josef Liefers) in Münster war eigentlich Ulrich Noethen vorgesehen. Der wollte nicht.
44 Mit den Jahrzehnten ersetzte das Krimi-Drama das Whodunit-Prinzip.
45 Klassische Ermittlungsarbeit ist aus der Mode.
46 Nicole Heesters war 1978 die erste weibliche Kommissarin.
47 Auch im Jahr 2000 gab es mit Ulrike Folkerts und Sabine Postel erst zwei Kommissarinnen.
48 Im Jahr 2008 Jahre wurde das „Tatort“-Radio erfunden. Eigenes produzierte „Hörspiele“ sind in der ARD-Audiothek abrufbar.
49 Heute Abend (ARD & ORF 2, 20.15 Uhr) ermitteln Ballauf und Schenk in Köln. Inhalt: Ermittlungen in einer Schule.
50 Die Jubiläumsfolge läuft im November. Die Teams aus Dortmund und München kämpfen dann gemeinsam gegen die Mafia.