Es sind bedrohliche Kommentare, systematisches Mobbing, Cyber-Stalking oder beängstigende Kampagnen: Prominente Anlassfälle von Hass im Netz – dem Schlagwort für alles Beleidigende im digitalen Raum – schaffen es für kurze Zeit in die Schlagzeilen, bevor das Problem wieder abtaucht; in den Alltag.

Die Tragweite der Problematik vergegenwärtigt eine der wenigen repräsentativen, umfassenden Studien, durchgeführt von mehreren mit der Thematik betrauten Organisationen, vorgestellt vom deutschen Familienministerium. Fast jeder zweite der mehr als 3000 Befragten gab an, online Hass zu beobachten. Die Mehrheit ist der Meinung, dass das Problem zunimmt.

Besonders betroffen sind junge Frau zwischen 16 und 24, jede zweite berichtet bereits ungefragt Nacktfotos erhalten zu haben, jede Fünfte wurde im Netz schon sexuell belästigt. Die zweite Personengruppe, die übermäßig häufig von Hass im Netz betroffen ist, hat Migrationshintergrund, die dritte Gruppe eine homo- oder bisexuelle Orientierung. Der sinnige Titel der Studie: „Lauter Hass - leiser Rückzug“.

Diese Studienergebnisse stimmen mit jenen Erfahrungen überein, die der Verein Zara in seiner Beratungsstelle „Hass im Netz“ macht. Frauen, nicht nur junge, werden überproportional häufig mit den legalen und illegalen Formen dieser Exzesse konfrontiert, erklärt Beraterin Golrokh Haddad. In beiden Varianten kann Zara helfen: „Je nachdem haben wir unterschiedliche Möglichkeiten.“ Bei strafrechtlich relevanten Inhalten wird eine Rechtsberatung angeboten, bei legalen Formen von Hass im Netz, hat die Beratungsstelle mehr Möglichkeiten als der einzelne Nutzer, erklärt Haddad: „Sehr relevant ist unser ‚trusted flagger status‘. Das ist ein Status, den einige Betreiber und Betreiberinnen sozialer Netzwerke an vertrauenswürdige Einrichtungen wie Zara vergeben. Wenn ‚Trusted Flagger‘ problematische und oder rechtswidrige Inhalte an das jeweilige soziale Netzwerk melden, werden diese Meldungen prioritär behandelt und gründlicher untersucht.“ Die Folge: Beleidigende oder diskriminierende Postings werden eventuell schneller von der Plattform entfernt: „Oft geht es den Klientinnen und Klienten nur darum, dass ein Posting schnell gelöscht wird.“ 

Hass im Netz ist eine Form der toxischen Kommunikation, die über die Verletzung des Einzelnen hinausgeht. „Hass im Netz ist eine Bedrohung für die Demokratie insgesamt“, betonte die deutsche Familienministerin Lisa Paus bei der Präsentation der Studie . In einer besonderen Verantwortung sieht Corinna Milborn, Infodirektorin von Puls24, die großen Social Media-Plattformen: „Sie pushen Lügen und Hass, weil Emotion mehr Viewtime schafft als Fakten“, erklärt sie jüngst in einem Gastbeitrag der Fachzeitung „Medianet“ und forderte eine „strikte Anwendung des Medienrechts für Social Media“. Wird nichts getan, wären vor allem Frauen betroffen: Sie würden sonst aus dem digitalen Raum verdrängt, betont Milborn.

Laut der aktuellen Studie betrifft Hass im Netz alle Social Media-Anbieter, aber in unterschiedlichem Ausmaß. Besonders häufig beobachtet wird das Phänomen neben X (vormals Twitter) auch auf TikTok. Aus ihrer Beratungspraxis kennt Haddad diese Probleme, auf Social Media beschränken lasse sich Hass im Netz allerdings nicht: „Es gehört viel mehr dazu: Uns werden auch laufend Hass-Postings in Webforen, auf Messenger-Diensten und in E-Mails gemeldet. Auch dagegen kann man vorgehen.“