In der Szene brodelt es. Während es für andere Bereiche Coronafahrpläne gebe, herrsche im Kulturbereich Orientierungslosigkeit, wird kritisiert. Wo liegen die größten Problemfelder?
Bernhard Rinner: Was wir da miterleben müssen, ist ein Bauchfleck der Kulturpolitik. Ich habe Verständnis für die Gesamtsituation. Dass die Zusammenkunft einer größeren Anzahl von Menschen eine Gefahr darstellt, ist allen bewusst. Wenn es um die langsame Rückkehr in die sogenannte neue Normalität geht und darüber mit allen Bereichen kommuniziert wird – Schulen, Sport usw. – und wir hier am Ende der Reihe stehen und ein Durcheinander serviert bekommen, dann macht sich bei mir schon eine große Bitterkeit breit.

Was kann man konkret gegen dieses Tohuwabohu tun?
Rinner:Wir als Kulturverantwortliche können diese Situation, dieses „Wir werden schon sehen“ der Politik, nicht auf uns sitzen lassen. Wir müssen etwas tun, brauchen eine Perspektive. Ich bin auch Generalsekretär der Bundesländertheater, und in diesem Verband arbeiten wir einen Maßnahmenkatalog aus, der demnächst als Petition an die Bundesregierung geht.

Was wird gefordert?
Rinner:Es muss Klarheit geschaffen werden: Wie geht es bei den Proben weiter, wie bei den Aufführungen und wie im Bereich des Publikums? Und wenn die Bundesregierung sagt, wir können nicht garantieren, dass es im Herbst Vorstellungen gibt, ist das bitter, aber eine klare Auskunft, auf die wir reagieren können. Wir müssen einfach wissen, wie die nahe Zukunft aussieht.

Diese Entscheidungen können aber zum Teil ja noch gar nicht getroffen werden.
Rinner:Aber bei uns stehen Entscheidungen an, die jetzt getroffen werden müssen. Es muss geprobt werden, es gibt Verträge. Und auch: Unter welchen Bedingungen können oder dürfen künftig Zuschauer zusammenkommen? Sobald wir Richtlinien haben, können wir errechnen, was das – auch wirtschaftlich gesehen – für die Aufführungssituation bedeutet.

Warum gärt es gerade in der Kulturszene so massiv?
Rinner:Weil unsere Sorgen zu wenig erkannt werden. Österreich wird ja gerne als Kulturnation hochgehalten. Und jetzt, in der Krise? Ich fürchte, wir stehen knapp davor, auf das Begräbnis dieser Kulturnation gehen zu müssen.