Lars von Trier ist schuld! Natürlich! Wegen seiner Grusel-Serie „Riget – Hospital der Geister“ aus den 1990ern hätten früher sogar manche Patienten Angst gehabt, sich im Kopenhagener Reichskrankenhaus behandeln zu lassen. So behauptet es zumindest der Portier zu Beginn der dritten Staffel, die beim Filmfestival Venedig außer Konkurrenz gezeigt wurde und in der von Trier nicht nur solche flunkernden Meta-Anspielungsgags einbaut. Das ewige dänische Regie-Enfant-Terrible vollendet damit auch noch ein unerledigtes Großprojekt. Denn nach den erfolgreichen Staffeln von 1994 und 1997 fiel das finale Kapitel zunächst aus, nachdem einige Beteiligte gestorben waren.

25 Jahre später zieht es von Trier für „Riget: Exodus“ nun doch noch einmal ins große Reichskrankenhaus, das einst auf alten Färberteichen errichtet wurde und wo sich jetzt das Portal zu einer Geisterwelt befindet. Das wird bewacht von Udo Kier, der inzwischen vom „kleinen Bruder“ zum „großen Bruder“ geworden ist. Nun droht er allerdings an seinen eigenen Tränen zu ertrinken, was eine schlafwandelnde, ältere Frau namens Karen verhindern will. Sie folgt okkulten Spuren in den langen Gängen des Krankenhauses, in dem sich noch einige andere Figuren in absurde Handlungsstränge verwickeln. Ein paar Gesichter von einst sind dabei, aber auch viele neue. Prägnantester Neuzugang: Mikael Persbrandt tritt als Arzt Helmer Jr. in die Fußstapfen seines schwedischen Vaters, der die Dänen einst hasste wie der Junior auch.

„Als wir mit den Dreharbeiten begonnen haben, wusste ich nicht, dass ich Parkinson habe“, sagte von Trier, der im vergangenen Jahr seine Krankheit öffentlich gemacht hatte und in Venedig über Video zu einer Pressekonferenz zugeschaltet war. „Ich hatte eine üble Zeit, aber ich hoffe, die Schauspieler haben davon nichts gemerkt.“ Die alten Folgen habe er sich nicht noch einmal angesehen, bevor er die neuen Drehbücher schrieb. „Ich wollte von den alten Verbindungen loskommen und habe nur an die Charaktere gedacht“, erklärte er. „Das Schreiben war einfach nur ein großes Vergnügen für mich. Wenn man es sich nun ansieht, gibt es sicher viele Fehler, aber ich hoffe, es ist Leben darin.“ 

Als Autorenfilmer gehörte von Trier einst wie David Lynch, der mit seinem Mystery-Serienmeisterwerk „Twin Peaks“ eine spürbare Inspirationsgröße für den Dänen war, zu den Pionieren der komplexen, mutigen Serienerzählungen, wie sie heute keine Seltenheit mehr sind. Seitdem ist auch in Triers Karriere viel passiert: Mit radikalen (Kunst-)Werken von „Breaking the Waves“ bis hin zu „Antichrist“ und „Nymphomaniac“ provozierte er verlässlich sein Publikum. Beim Festival Cannes wurde er wegen einer unsäglichen Nazi-Bemerkung vorübergehend sogar zur „unerwünschten Person“ erklärt. Gegen so viel Aufregung wirkt „Riget: Exodus“ nun verhältnismäßig zurückhaltend.

Nach dem von ihm gesetzten Standards geht es jetzt längst nicht so wild, so aufregend, so bösartig, so schockartig nervenaufreibend zu, wie man es vielleicht erwartet hätte. Radikales Fernsehen ist das heute nicht mehr, unterhaltsam ist der Serien-Spuk aber trotzdem. Sehr sogar, über fünf Stunden. Und immer wieder überrascht er mit skurrilen Gags und Referenzen für Fans, albernen Kleinkriegen und übernatürlichen Wendungen in der Schlacht gegen Satan, bis schließlich der „Meister von Babylon“ in einem Helikopter höchstpersönlich angeflogen kommt. Wer das ist? Das kann im Kino wohl nur einer sein.