Jede einzelne Szene ist wie ein Durchgangszimmer - ein Ausgang ist nicht in Sicht. In diesem Raum zwischen den Zeiten bekommen die Protagonisten in Christian Petzolds Film „Transit“ kurzfristig so etwas wie ein Zuhause. Sie alle wirken wie Herausgedrängte aus ihrer eigenen Biografie. Sie warten: auf Schiffspassagen, Visen, Nachrichten von ihren Geliebten, auf eine Zukunft. Deutsche Truppen nähern sich 1941 Marseille, viele wollen dem Grauen entkommen und per Schiff nach Amerika fliehen, checken in schäbigen Hotelzimmern ein, lassen Erinnerungen zurück. Wenige Monate später liegen ganze Stadtteile in Trümmern. Der historische Ausgang ist bekannt.

Petzold (u. a. „Barbara“, „Yella“) gelingt in der Adaption des gleichnamigen autobiografischen Romans von Anna Seghers ein Coup: Er versetzt die Geschichte einfach in die Gegenwart der Hafenstadt am Rande Europas. Ohne Kostüme, Requisiten oder historische Aufnahmen. Sein Marseille ist in wärmende Farben und gleißendes Licht getaucht.

In dieser Freiheit erzählt Petzold Geschichten aus dem Schattenreich. Wie jene von Georg. Im letzten Moment kann er in Paris entkommen. Im Gepäck hat er die Hinterlassenschaft des Schriftstellers Weidel, der aus Angst Suizid begangen hat. Sie ist seine Chance auf ein Morgen, er nimmt dessen Identität an. Dieser Georg wird von einem der aufregendsten Charakterköpfe des deutschen Kinos verkörpert: von Franz Rogowski („Love Steaks“). Mit Seesack tänzelt er, leicht gebückt, durch die Hafenstadt. Er ist ein Fliehender. Einer, der wie andere Heimatsuchende wie Marie (irrlichternd toll: Paula Beer) für den Rest unsichtbar bleibt.

Petzold skizziert die Gegenwart als Phantombild eines Gestern, das noch lange nicht vergessen ist.