Herr Voges, gibt es ein Motto, das über Ihrem ersten Spielplan steht?
KAY VOGES: Im Spielplan-Buch gibt es ein langes Interview mit Diedrich Diederichsen und Mitarbeitern, die sich zum Thema Loop, Wiederholung und Variation Gedanken machen. Das Thema wird uns inhaltlich wie formal die gesamte Saison begleiten. Das ist ein Strang, ein weiterer wird das Thema Natur sein, dazu wird es im Juni ein eigenes Festival geben.Und schon am Anfang u.a. die Reihe "Mein Leben mit Corona." Mit Allgemeinplätzen als Motto wie „Liebe und Tod“ wollen wir unsere Arbeit nicht starten.


Sondern? Wofür steht Ihr Programm?
Wir haben ein großes Programm, das auf der Suche ist nach gegenwärtigen Erzählungen und Themen ist. Die darstellende Kunst ist das Zentrum unserer Arbeit. Wir werden uns aber auch mit Bildnerischer Kunst, Musik, Tanz in Zusammenhang mit der darstellenden Kunst beschäftigen. Das ist das Spektrum, um das es geht. Wie finden wir Erzählungen über die Jetztzeit? Was erzählen wir über den Wandel und wie erzählen wir es?

Wie erklären Sie Außenstenden das Volkstheater?
Das Volkstheater ist ein Theater für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Es hat sich zur Aufgabe gesetzt, die darstellende Kunst permanent nach ihrer gegenwärtigen Relevanz abzuklopfen. Wir wissen nicht, wie Theater geht. Es ist ein Kollektiv aus suchenden Menschen, die Vorgänge für das Theater der Gegenwart suchen.


Nur vier Leute aus dem Ensemble Anna Badoras bleiben am Haus. Wie wienerisch wird denn das Volkstheater noch sein?
Das Volkstheater ist ein internationales Haus, aber es bleibt ein Ort der Wiener Kultur. Es beschäftigt sich sowohl mit Wiener Autoren der Vergangenheit wie Bernhard und Jandl und der Gegenwart – wie mit Jelinek oder Haider. Wir haben neue Wiener im Ensemble, eine Iranerin, einige Deutsche, Bulgaren. Es ist ein gemischter Haufen, der für Wien Theater machen wird.

Wie lautet Ihre erste Bilanz der Theaterstadt Wien?

Die Tehaterstadt Wien leidet unter der Pandemie. Es herrscht ein unfassbarer Theaterreichtum hier. Daher ist es umso tragischer, dass dieser Reichtum und diese Vielfalt aktuell nicht sichtbar sind.

Lydia Haider soll Hausautorin werden - was bedeutet das denn?
Wir erhoffen uns eine längerjähriejährige Zusammenarbeit. Dass sie nun als Theaterautorin mit "Zertretung - 1. Kreuz brechen oder Also alle Arschlöcher abschlachten" ihre erste Arbeit fürs Theater schreibt ist toll und wir wollen diesen Weg nicht nur für eine Arbeit gehen, sondern längerfristig.

Ganz in Weiß: Ein erster Blick auf die sanierte Außen-Fassade des Volkstheaters
Ganz in Weiß: Ein erster Blick auf die sanierte Außen-Fassade des Volkstheaters © APA/HERBERT PFARRHOFER

Pläne zu machen ist angesichts von Covid-19 schwierig. Werden Sie Ihr Haus auch im Falle eines Lockdowns im Jänner digital aufsperren oder zugänglich machen? Haben Sie einen Plan B?
Für die Theater ist es – wie für alle Menschen  - gerade extrem schwierig, in die Zukunft hineinzuplanen. Wir haben Plan A, B und C schon gemacht und die haben nicht geklappt. Jetzt sind wir bei Plan F angekommen und haben auch weitere Pläne. Der Kampf gegen Corona ist nicht absehbar, genauso wenig wie der Kampf mit der Baustelle, den wir führen. Wir werden sehen, wieweit wir unser Haus wachküssen können. Wir haben einen Plan, unser Haus am 8. Jänner zu eröffnen. Wir müssen auf Sicht fahren. Der Tag wird kommen.

Sie haben im Vorjahr auch am Burgtheater inszeniert und sich so erstmals Ihrem neuen Publikum und der strengen Kritikerschaft vorgestellt. Für die Endzeitoper "Dies Irae" haben Sie jede Menge Verrisse kassiert. Bereuen Sie dieses erste Mal als Regisseur in Wien schon?
Nein, überhaupt nicht. Ich finde diese Arbeit, die wir dort gemacht haben, eine sehr aufregende, neue, schöne Arbeit. Ich glaube, einige Theaterkritiker und Theaterkritikerinnen brauchen noch ein vielleicht noch ein bisschen Zeit, sich an mich zu gewöhnen.

Darf ich Ihnen noch ein paar persönliche Fragen zu Ihrem Umzug nach Wien stellen? Wo leben Sie? Haben Sie schon ein Kaffeehaus oder Beisl Ihres Vertrauens gefunden? Lieblingsgericht?
In Wien-Neubau. Und gleich um die Ecke ist das Amerlingbeisl. Dort war es, in den letzten Wochen vor dem Lockdown auch sehr coronasicher, wenn man im Innenhof sitzen konnte. Da habe ich einige Abende dort verbringen dürfen. Und als jemand, der aus dem Ruhrgebiet kommt, muss ich sagen: "Der Käsekrainer ist die Alternative geworden. Noch vermisse ich die Currywurst nicht sehr."