Der mit 20.000 Euro dotierte Österreichische Buchpreis geht heuer an den Autor Xaver Bayer für sein Buch "Geschichten mit Marianne". Der Debütpreis und somit 10.000 Euro gehen an Leander Fischer für den Titel "Die Forelle". Auf der Shortlist des Preises standen überdies: Helena Adler - Die Infantin trägt den Scheitel links (Jung und Jung), Monika Helfer - Die Bagage (Carl Hanser), Karin Peschka - Putzt euch, tanzt, lacht (Otto Müller Verlag), Cornelia Travnicek - Feenstaub (Picus). Die bisherigen Auszeichnungen gingen an Friederike Mayröcker (2016), Eva Menasse (2017), Daniel Wisser (2018) und Norbert Gstrein (2019). 

Die übliche Festveranstaltung wurde aufgrund von Covid-19 abgesagt, die Vergabe fand virtuell statt. Die Begründung der Jury für Xaver Bayer:

„Ganz alltäglich und entspannt beginnen alle diese „Geschichten mit Marianne“, sie beginnen beim Abwaschen oder mit einem langweiligen Nachmittag, an dem Marianne den Erzähler zu einem Ausflug einlädt. Je harmloser der Anfang, desto grausamer und grotesker der weitere Verlauf. Jede Geschichte setzt neu an und lässt eine Gewissheit des Alltags ins Bodenlose kippen, und sei es der Gang in den Keller. Der Erzähler irrt durch den schlammigen Untergrund einer Riesenstadt, tastet sich im Dunklen durch ein ominöses Schloss oder beobachtet mit Marianne ein Massaker vom Wohnzimmer aus, nachdem er ihr beim Abwasch geholfen hat. Die literarische Moderne wird in diesen Geschichten aufgerufen und souverän in unterschiedlichen Genres eingesetzt – von der Horrorgeschichte bis zur Fantasy-Szenerie. Mit bösem, oft melancholischem Witz leuchtet Xaver Bayer die Angst-Räume unserer Zeit aus, denn immer wieder versinkt sein Held im Chaos, das in leuchtenden Details erzählt wird – letztlich bleibt ihm nur die eigene Phantasie als rettender Ort. Ein brillantes, facettenreiches Nachdenken über unsere Zeit.

Xaver Bayer. Geschichten mit Marianne. Jung und Jung. 184 Seiten, 21 Euro.
Xaver Bayer. Geschichten mit Marianne. Jung und Jung. 184 Seiten, 21 Euro. © Jung und Jung

Der 1992 in Vöcklabruck (Oberösterreich) geborene Leander Fischer, der nach einem Studium in Hildesheim seit kurzem in Wien lebt, überzeugte die Jury mit seinem 780-Seiten-Roman "Die Forelle". Für einen Auszug daraus erhielt er 2019 beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis den Deutschlandfunk-Preis zugesprochen. In seinem monumentalen Erstling erweise er sich "als äußerst wortgewaltiger Schriftsteller. Er kann sich über mehrere Seiten in kleinste Details des Fliegenfischens versenken und gleichzeitig zu sprachlichen Höhenflügen ansetzen", so die Jury. "Die Forelle" sei "das genaue Gegenteil der einfachen, schmucklosen Prosa, die heute in der erzählenden Literatur vorherrscht. Und genau das macht den Reiz der Lektüre aus. Kleine Abstürze mindern die berauschende Wirkung des Romans keineswegs. Fischers Werk ist nicht nur für kunstsinnige Fliegenfischer ein literarischer Leckerbissen."

Der Montag war kein schlechter Tag für Leander Fischer. Das erste, was er am Vormittag hörte, war der Anruf mit der Nachricht, dass er im Rahmen des Österreichischen Buchpreises 2020 den Debütpreis gewonnen hat. "Es hat mich wachgeklingelt", gab der Autor im Interview mit der Austria Presse Agentur (kurz nach dem Zähneputzen) zu. Dass am Abend auch keine Verleihungsgala stattfindet, sieht er auch recht entspannt: "An sich liebe ich Festakte und Zeremonien - aber nicht unbedingt mit mir im Mittelpunkt."

Vor eineinhalb Jahren kannte den 1992 in Vöcklabruck geborenen Oberösterreicher, der in Gmunden das Gymnasium besuchte und nach einem Berlin-Jahr in Hildesheim literarisches Schreiben studierte, noch niemand in der literarischen Szene. Mit seinem ersten Roman "Die Forelle" hat sich das geändert. Dabei war er ein denkbar großes Risiko eingegangen. Das Manuskript war nicht nur wahrlich ausufernd sondern auch sonst höchst ungewöhnlich: fast tausend Seiten, in denen man akribisch in die Welt des Fliegenfischens und Köderknüpfens eingeführt wird, in denen Begriffe, die man nie zuvor gehört hat, kontemplative Kraft entfalten, und die Zeit still zu stehen scheint.

"Ich setze alles auf eine Karte", sagte Leander Fischer im Juli 2019 im APA-Interview. "Aber ich kann nichts anderes." Heute lässt sich sagen: Es hat sich ausgezahlt. Beim Wettlesen um den Bachmann-Preis angelte er sich mit einem Auszug aus dem Romanprojekt den mit 12.500 Euro dotierten Deutschlandfunk-Preis. "Der Preis hat mir Aufmerksamkeit verschafft und die Augen geschärft für das Manuskript", resümiert Fischer heute. Bald danach biss der renommierte Wallstein-Verlag an, wo man dem Jungautor half, den Text auf 780 Seiten zu kürzen.

Die Rezeption des Ende Juli 2020 erschienenen Romans war mehrheitlich positiv bis euphorisch, im Oktober schaffte es "Die Forelle" sogar an die Spitze der ORF-Bestenliste. "Ich habe die Rezensionen eigentlich immer gelesen und gehofft, dass ich von ihnen etwas lernen kann. Erst allmählich ist mir aufgefallen, dass die Kritiken sich ja in erster Linie ans Zeitungspublikum richten und nicht an mich, dass ich mir also keine guten Ratschläge erwarten darf", lacht Fischer, der seit April in Wien wohnt. Dort will er heute mit einer unterlegenen, doch befreundeten "Konkurrentin" um den mit 10.000 Euro dotierten Debütpreis, der Autorin Mercedes Spannagel, das eine oder andere Gläschen heben. Das Schreiben dürfte vorläufig etwas warten: "Ich glaube, momentan könnte ich mich auch nicht wirklich auf neue Texte konzentrieren."