Ein Gang in den Keller wird zum Absturz, ein Perchtenlauf eskaliert in Gewalt, Menschen werden bei Spaziergängen überfallen und geschossen wird auch ganz gerne: Wenn Xaver Bayer seinen Ich-Erzähler mit Marianne los schickt, dann entgleiten Alltagssituationen und nehmen albtraumhafte Züge an. In seinen zwanzig „Geschichten mit Marianne“ (so der Titel) führt der 43-jährige Wiener virtuos in zahlreiche Abgründe zwischen Traum und Wirklichkeit – dafür wurde ihm der Österreichische Buchpreis zuerkannt. „Mit bösem, oft melancholischem Witz leuchtet Xaver Bayer die Angst-Räume unserer Zeit aus“, heißt es in der Begründung der Jury.

Coronabedingt musste die Festveranstaltung entfallen, aber öffentliche Auftritte sind ohnehin nicht unbedingt eine Leidenschaft des Autors: „Das Schönste ist, wenn ich am Schreiben bin. Das Schlimmste ist die ganze Postproduktion, Publicity, Lesungen, dass ich mich mit dem Buch auseinandersetzen muss, mit dem ich schon fertig bin. Aber das gehört dazu wie eine Nabelschnurdurchtrennung“, sagte er etwa kürzlich in einem Interview mit der „Zeit“.

Mittlerweile hat der studierte Philosoph und Germanist diesen Geburtsprozess bei mehreren Romanen, Prosabänden und auch Theaterproduktionen durchgemacht. So wurde seine Erzählung „Wenn die Kinder Steine ins Wasser werfen“, die aus einem einzigen, langen Satz besteht, am Schauspielhaus Wien uraufgeführt. Aber auch als Co-Autor eines Drehbuches war der Hermann-Lenz-Preisträger erfolgreich: „Der Glanz des Tages“ von Rainer Frimmel und Tizza Covi wurde mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet.

Xaver Bayer. Geschichten mit Marianne. Jung und Jung, 184 Seiten, 21 Euro
Xaver Bayer. Geschichten mit Marianne. Jung und Jung, 184 Seiten, 21 Euro © kk

Die Buchpreis-Jury ließ gestern jedenfalls wissen, dass es trotz zahlreicher „sehr guter“ Werke letztlich eine „große Einigkeit“ gegeben habe: „Wir dürfen mit dem Erzählband von Xaver Bayer einen überragenden Texte auszeichnen“, der nicht weniger sei als ein „brillantes, facettenreiches Nachdenken über unsere Zeit“.

Die Nachricht, dass er der frischgebackene Buchpreis-Träger ist, erreichte Xaver Bayer jedenfalls am Land, wo er sich zum Schreiben zurückgezogen hat: „Ich bin da alleine, weil zum Arbeiten muss man ja allein sein. Also werde ich den Schaumwein nur für mich öffnen und in alle Himmelsrichtungen prosten.“ Marianne Fischer