Austria Presse Agentur: Herzliche Gratulation! Eigentlich eine klassische Sportreporterfrage: Haben Sie damit gerechnet?

Xaver Bayer: Nein. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet. Ich bin aus allen Wolken gefallen, und umso mehr freut mich das.

Sie haben den Preis gewonnen, obwohl die Wahrscheinlichkeit gegen Sie gesprochen hat: Vor Ihnen haben zwei Männer den Buchpreis gewonnen, nun standen Sie als einziger Mann auf der fünf Namen umfassenden Shortlist. Außerdem haben es Erzählbände gegen Romane immer schwer.

Bayer: Ich habe tatsächlich von vielen Seiten die Vermutung gehört, dass ich auch deswegen den Preis nicht bekommen werde. Das Buch ist eine Mischform, die Geschichten sind immer mit dem selben Protagonisten, und deswegen hängt es immer ein bisschen zusammen. Deswegen liest es sich ein bisschen wie ein Roman und fällt den Leuten vielleicht einfacher. Kurzgeschichten sind ja tatsächlich leider nicht so beliebt.

Normalerweise hat die Buchpreisverleihung im Kasino ja ein bisschen Oscarflair: Alle sitzen da und warten, bis das Siegerkuvert geöffnet wird. Wie schade ist es, dass man diesmal darauf verzichten musste?

Bayer: Ich bin manchmal auch ein scheuer Mensch, der nicht unbedingt gerne solche Galas über sich ergehen lässt. Insofern muss ich gestehen, dass ich nicht ganz unglücklich bin, mir diese Situation in der Arena erspart zu haben. Auf der anderen Seite ist es schon schade, denn es wäre ein schönes Zeichen gewesen, es trotz allem stattfinden zu lassen. Aber wenn's nicht geht, geht's nicht.

Wie haben sich "Die Geschichten mit Marianne" bisher verkauft?

Bayer: Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben eine dritte Auflage, und ich nehme an, da kommen jetzt noch ein paar dazu.

Abgesehen vom Verkauf, was bedeutet für Sie der Preis als Autor?

Bayer: Was mich freut ist, dass ich diese Auszeichnung bekommen habe, ohne dass ich - und das kann man vielleicht als Aufmunterung an junge Schreibende sehen - eine Homepage habe, ohne dass ich in sozialen Medien unterwegs bin. Ich twittere nicht, ich bin nicht auf Facebook, ich war auf keiner Schreibschule, ich hab keinen Literaturagenten, sondern ich habe all das ohne dem geschafft, und das sollte man vielleicht nicht unerwähnt lassen.

Was bedeutet der gegenwärtige zweite Lockdown für Sie als Autor?

Bayer: Die Situation selber ist für mich als Schreibenden wahrscheinlich nichts Besonderes, weil man ohnedies viel allein mit sich und zu Hause ist. Finanziell muss ich sagen, dass schon nach dem ersten Lockdown, nach dem Wegfall von Lesungen, die Literar Mechana mit Ausfallszahlungen gekommen ist, und dann die Stadt Wien ein eigenes Stipendium ausgeschrieben hat. Das Land Niederösterreich hat mir auch weitergeholfen, und letztlich hab ich auch noch von einem Fonds Geld bekommen. Das war eine ganz gute Unterstützung für mich.

Ich habe "Die Geschichten mit Marianne" so zusammengefasst: "20 Worst-Case-Szenarien, die im Alltag beginnen und in Anarchie, Horror und Zerstörung enden". Derzeit scheinen sich ja manche Schreckensszenarien zu bewahrheiten. Wie geht es Ihnen mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen Veränderungen in diesem Ausnahmezustand?

Bayer: Natürlich gibt es viele Kollateralschäden. Die Situation ist schwierig, denn, wenn man an der Verhältnismäßigkeit mancher Entscheidungen der Politik, die eindeutig parteipolitisch sind, Kritik übt, wird man sofort in eine Verschwörungsecke gedrängt. Es polarisiert sehr: Man findet eigentlich nur Leute, die das alles glauben oder die das alles nicht glauben. Es hat den Anschein, dass es immer schwieriger wird, zwischen solchen festgefahrenen Positionen Brücken zu schlagen. Vielleicht sollte das Ganze mit ein bisschen Humor und Gelassenheit genommen werden, damit sich das nicht verhärtet. Daran sollte noch mehr gearbeitet werden von allen Seiten.

Woran arbeiten Sie gerade? Wann gibt's das nächste Buch?

Bayer: Ich bin aufs Land gefahren, um meine Ruhe zu haben und das nächste Buch zu schreiben. Schauen wir mal, ob das jetzt so einfach geht mit dem Preis. Ich habe mir angewöhnt, über Sachen, die noch nicht fertig sind, noch nicht zu reden.

Wenn Sie am Land sind und auch angesichts der Coronabeschränkungen - da werden Sie heute wohl keine große Buchpreisfete bei sich steigen lassen können?

Bayer: Ich bin da alleine, weil zum Arbeiten muss man ja allein sein. Also werde ich den Schaumwein nur für mich öffnen und in alle Himmelsrichtungen prosten.