"Die Ansprüche an ein modernes militärhistorisches Museum fehlen", erklärte Kommissionspräsident Wolfgang Muchitsch bei der Präsentation zur Evaluierung der Dauerausstellung im umstrittenen Heeresgeschichtlichen Museum.  "Siege überstrahlen alles." Ursachen, Gegner, Beweggründe sowie die Perspeltiven der "einfachen Soldaten oder der Zivilbevölkerung fehlen". "Wenn man durch das Heeresgeschichtliche Museum geht, bekommt man den Eindruck: Kriege bestehen hauptsächlich aus Waffen und Gemälden", umriss Muchitsch die aktuelle Situation. Dass die im Haus gezeigten Gemälde erst viel später entstanden sind - fehlt.

Wie ein Gesamtkonzept, wissenschaftliche Beratung, eine multiperspektive Sichtweise auf den Krieg und die Folgen für die Bevölkerung und vieles mehr. Das HGM sei, so Muchitsch, ein Museum von Fachexperten für ein Fachpublikum.

Zuerst die gute Nachricht: Bei den Sammlungen des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) handle es sich um "herausragende Sammlungen von internationaler Bedeutung handelt, die sowohl in Europa als auch weltweit in vielen Bereichen einzigartig sind."

Und weiter heißt es im Bericht der elfköpfigen Expertenkommission noch: "Die umfangreichen Sammlungen mit bedeutenden Exponaten verdienen es, entsprechend präsentiert sowie ausreichend mit personellen und finanziellen Mitteln ausgestattet zu werden, um alle Aufgaben eines Museums (Sammlung, Erhaltung, Forschung, Ausstellung und Vermittlung) zeitgemäß erfüllen zu können."

Zusammenfassend stellte die Kommission der Dauerausstellung und allen öffentlich zugänglichen Ausstellungsflächen aber kein gutes Zeugnis aus. Und auch eine Grundsatzdebatte könnte der Bericht anzetteln, in dem es heißt: "Eine der wesentlichen Herausforderungen für das HGM liegt sicherlich darin, dass es vom Bundesministerium für Landesverteidigun betrieben wird und daher nicht nur als Museum, sondern auch als Stätte der militärischen Traditionspflege dient." Die größten Kritikpunkte im Detail:

  • Die Ansprüche der Darstellung einer modernen Militärgeschichte sind über weite Strecken nicht gegeben
  • Es sei kein Gesamtkonzept erkennbar, die einzelnen Abschnitte sind mehr oder weniger isoliert und zu unterschiedlichen Zeiten entstanden
  • In vielen Bereichen fehlt eine nachvollziehbare Erzählung
  • Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind kaum berücksichtigt
  • Überleitungen zwischen den Ausstellungsbereichen fehlen
  • Die dargestellte Geschichte endet 1991. Das heißt 30 Jahre bleiben unbearbeitet und unvermittelt.  
  • In vielen Bereichen stehen „Ruhm und Ehre“ des Hauses Habsburg und seiner Heerführer im Vordergrund
  • Der Inhalt von Bildern (Grafiken, Gemälden usw.) ist so gut wie nie reflektiert. Folge: Es werden vielfach problematische Deutungen (von propagandistischen Verzerrungen bis zu stereotypen Feindbildern) vermittelt.
  • Die Geschichte wird aus Sicht der Herrschenden und der Offiziere erzählt.
  • Die Bezüge zur und Orientierungsangebote für Gegenwart und Zukunft fehlen.
  • Die Bezüge zu militärischen (und politischen) Konflikten der Gegenwart fehlen.
  • Die Erklärungen über die Auswirkungen und Folgen von Kriegen fehlen.
  • Eine Überfülle an Objekten wird ohne nähere Erklärung und Kontextualisierung gezeigt.
  • Bei einigen ausgestellten Objekten besteht konservatorischer Handlungsbedarf.
  • Es sind keine angemessenen Sonderausstellungsflächen vorhanden.
  • Die vorhandenen (kleinen) Sonderausstellungsflächen werden nicht zeitgemäß und thematisch innovativ genutzt.
  • Die bisherigen Prioritätensetzungen (Spezialforschung, Veranstaltungen) sind zu hinterfragen.
  • Die Zielgruppen des Museums sind unklar definiert und müssten breiter gedacht und erweitert werden.
  • Der Bereich der Vermittlung hebt sich grundsätzlich positiv ab - inkl. breites Veranstaltungsprogramm, das ein größeres Publikum anspricht

Basierend auf diesen Kritikpunkten leitet die Kommission klare Empfehlungen für die Neugestaltung und Umstrukturierung aus:

"Die Kommission empfiehlt ausdrücklich, dass das BMLV mit dem Team des HGM, erweitert durch einen internationalen wissenschaftlichen Beirat, im Rahmen eines Leitbildprozesses abklärt, welches Museum das HGM künftig sein soll. Die dort verankerten Grundsätze müssten sich dann in der gesamten Arbeit des HGM widerspiegeln", heißt es. Eine Neukonzeption des Hauses und der Dauerausstellung sollte grundsätzlich eine "fachlich wie sachlich zeitgemäße und inhaltlich sich an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierende, multiperspektivische Darstellung der Geschichte bis in die Gegenwart" das Ziel sein. Wichtig: Der historische Bogen sollte bis zur Gegenwart gespannt werden sowie Überlegungen zu Herkunft und Geschlechterrollen einbeziehen.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ließ am Ende des Pressegesprächs aufhorchen: Sie kündigte eine Finanzspritze in der Höhe von 4,3 Millionen Euro zur Modernisierung und Digitalisierung an, einen ständigen wissenschaftlichen Beirat unter Muchitsch und eine Neuausschreibung der Leitung. "Jeder kann sich bewerben", so Tanner im Hinblick auf den amtierenden Direktor Christian Ortner. Muchitsch zeigte sich gegenüber der Kleinen Zeitung zufrieden und hoffe auf eine Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat des Haus der Geschichte Österreich.