Hallo! Schön, dass Sie da sind!“, begrüßt Michael Maertens sein Publikum zu Hause vor den Laptops. Nachsatz: „Wieder ein weiteres Gesicht auf dem Bildschirm.“ Wer an der Burgtheater-Silvesterpremiere „Die Maschine in mir (Version 1.0.) des britisch-irischen Regieduos Dead Centre teilnehmen will, muss davor drei kurze Videos von sich hochladen: ernst dreinschauend, lachend und schlafend. Diese Sequenzen flimmern später auf 100 iPads, die im Zuschauerraum des Kasinos am Wiener Schwarzenbergplatz arrangiert sind, sichtbar für alle über die Bildschirme und sorgen für nette Theater-Momente. Anders als andere Bühnen, die coronabedingt auf Streaming umgesattelt haben, hat das Burgtheater bislang mit Ausnahme kleinerer Aktionen auf virtuelle Inszenierungen verzichtet.


Mit dem Monolog unter der Regie von Bush Moukarzel und Ben Kidd, sie inszenierten zuletzt "Die Traumdeutung von Sigmund Freud" im Akademietheater, erweitert das Haus am Ring das analoge Theatererlebnis um eine technisch ausgeklügelte und durchaus gewitzte Spielwiese. Wie sehr das gemeinsame Theatererlebnis vermisst wird, ist mehrmals Thema: es ist vom „sterbenden Medium“ und „Sterbe-Medium“ die Rede. Via Chatfunktion schreibt ein Besucher, er vermisse die Textaussetzer der Schauspielenden am meisten. Denn: Bei Netflix passiere das nie.

Michael Maertens und eine Film-Crew im Kasino am Schwarzenbergplatz
Michael Maertens und eine Film-Crew im Kasino am Schwarzenbergplatz © Burgtheater/Marcella Ruiz Cruz


Dem kurzweiligen Abend über Transhumanismus liegt die preisgekrönte Reportage „Unsterblich sein“ von Mark O’Connell zugrunde. Michael Maertens verkörpert ihn – und sich selbst – mit Contenance und Witz, im Erklärbär-Modus führt er das Publikum in vorab aufgezeichneten Videosequenzen sowie live im Saal durch Themen wie Künstliche Intelligenz, dysfunktionale Körper, Biohacking, Cyborgs, Hörgeräten oder Spiralen. Es dreht sich um falsche Körper, ums Menschsein, um Robotik oder corona-taugliche Lungen, um den Unterschied zwischen Mensch und Maschine und eben darum, die Grenzen des sterblichen Körpers technisch zu überwinden. Was ist ein Ich? Was eine Person? Zu Konfettiregen und einer Umarmung eines ipads der Glückwunsch: "Sie sind ein Mensch!"


Danach ist man zwar nicht unbedingt schlauer, aber die Freude über ein gemeinsames Theatererlebnis überwiegt – auch virtuell. Pausensekt und Schlussapplaus gibt’s demnächst hoffentlich wieder live.

Bis 16. Jänner im Burgtheater.