"Herzlich willkommen im neu gestalteten Lusterboden. Sonst gibt's eh nicht so viel Neues zu berichten." Mit diesen Worten begrüßte Burgtheater-Direktor Martin Kušej gemeinsam mit Vizedirektorin Alexandra Althoff und Pressechefin Sabine Rüter heute eine kleine Runde Journalisten im obersten Stock des Hauses zu einem Pressegespräch. Während unten geprobt wurde, heißt es für den Hausherrn wie für seine Kollegenschaft in den anderen Bühnenhäusern weiter bei vollem Probenbetrieb warten. Aufs Wiederaufsperren. Aufs Publikum. Auf die Anweisungen der Politik. Aktuell auf den Ministerrat nächste Woche und die angekündigte Evaluierung der Infektionszahlen durch die Regierung. Wie bekannt sind Theater bis 6. Jänner geschlossen. "Wir werden am 7. Jänner wahrscheinlich nicht aufsperren", sagte er auf Nachfrage. "Das geht sich nicht mehr aus".

Bei der Nennung eines Wunschdatums blieb er vage, einmal nannte er "Ende Jänner". Warum? Weil ein Haus wie das Burgtheater anders als in Musiktheater-Repertoire-Häusern vier bis sechs Wochen brauche, um den Betrieb wieder hochzufahren. Mit variabler Saalplanung, gestaffeltem Vorverkauf, Mehraufwand im Betrieb sowie mit unplanbarer Termin- und Einreisekoordination. Und mit der üblichen Wiederaufnahme von Proben mit dem Regieteam im Sprechtheater.

Das Problem dabei: Nimmt man die Proben wieder auf, steckt der Regisseur oder die Regisseurin bereits andernorts in anderen Proben. Ein Vergleich: "Für die Erstellung eines Monatsspielplans benötigen wir normalerweise drei bis vier Wochen, die Planung von Wiederaufnahmen wie nach einer Sommerpause sowie erschwerte Reisebedingungen kommen hinzu."

Pressegespräch im Lusterboden
Pressegespräch im Lusterboden © Julia Schafferhofer

Hinzu komme: "Das Burgtheater ist ein relativ großes Schiff, das sich schwerfälliger bewegt als andere", meinte Kušej. Deutlich behäbiger als die freie Szene, aus der er komme. "Wir jammern nicht, wir arbeiten auf Voll-Power, fast auf Anschlag, haben aber kein Ventil einer Premiere oder einer Vorstellung", sagt der Direktor. Und: "Wir wollen spielen", ergänzt Althoff. Fünf Produktionen seien fertig in der Pipeline, für zwei wird aktuell geprobt. "Wir werden diese Produktionen rasch rauschschießen können." Zu Kritik an der Bundesregierung und an der Kulturstaatssekretärin ließ er sich nicht hinreißen, betonte aber: "Ich würde mir wünschen, dass wir in unserer eigenen Verantwortung entscheiden dürfen, was wir leisten können. Ich würde für einen moderat ausgelegten Zeitraum plädieren."

"Ich bin bald eineinhalb Jahre als Direktor hier", sagt der Burgtheater-Chef. Nachsatz: "Und fast ein Jahr davon im Ausnahmezustand." Er wünsche sich ein "bisschen Normalität".  Langsam mache sich eine gewisse Traurigkeit in einem breit, weil es "so endlos erscheint". Das nehme er auch im Austausch mit den anderen Kollegen wahr: "Im Großen und Ganzen ist eine Verzweiflung wahrzunehmen." Und: Diese Pandemie habe ihnen auch eines gelehrt: "Ich habe gelernt, dass Pessimismus fast besser ist als Optimismus".

Was weiter passiert

Während die Staatsoper Wien oder das Theater an der Wien in den Streamingbereich oder aufs Fernsehen ausweichen, Premieren im leeren Haus spielen, will Kušej vorerst keine Produktionen einfach abfilmen lassen. "Das ist nicht spannend." Indes hat man eigene Formate entwickelt wie Twitter-Theaterabende. bei denen die Zuschauerschaft die Handlung vorantreibt. 2000 Tweets pro Abend hätten ihn überzeugt, so Kušej.  Zu den weiteren digitalen Angebote des Burgtheaters zählen Streams für Kinder an den Adventsonntagen und den Weihnachtstagen. Ein Geschenk gäbe es für Familien auch: Vom 24. Dezember ab 14 Uhr bis 27. Dezember 14 Uhr ist eine Aufzeichnung des aktuellen Familienstücks "Des Kaisers neue Kleider" nach Hans Christian Andersen kostenlos via Webseite streambar.

Und weil die Inszenierung "Tristesse" wieder verschoben werden musste, hatte man Zeit für ein neues Projekt mit Michael Maertens, dessen zwei letzte Premieren ja dem Lockdown zum Opfer fielen: Mit dem Regieduo Dead Centre wird eine neue Produktion erarbeitet, die mit dem Digitalem und Analogem spielt und am Silvesterabend im Kasino Premieren haben haben soll. "Die Maschine in mir (Version 1.0)" basiert auf einer preisgekrönten Reportage des irischen Journalisten Mark O'Connell über die Sehnsucht des Menschen nach ewigem Leben. Jeder erhält bei Buchung einen Link, über den er sein Gesicht aufnehmen soll. Diese Aufnahme ist dann auf je einem iPad auf den Plätzen der Zuschauertribüne zu sehen, erläuterte Althoff das technische Konzept: "Man erlebt sich als im Kasino präsent." Nicht nur den Blickwinkel des iPads, sondern durch zwei Kameras. 100 Zuschauer können an einem Abend teilnehmen.

Sollte sich das Wiederaufsperren aufgrund der Infektionszahlen noch hinauszögern, könnte das Thema Fernsehen doch wieder interessant werden. Er habe, so Kušej, schon "Konzepte im Kopf". Kein Nachspielen, kein Abfilmen, sondern etwas Neues: Zum Beispiel Kameras, die den Zuschauern zu Hause eine Perspektive aus Sicht der verschiedenen Figuren bieten könnte.

Derweil wird weiter geprobt. Und weiter getestet: 5300 Tests hätte man seit August 2020 gemacht, 28 davon waren positiv, fünf im Ensemble. Cluster hätte es im 600-Mann-Betrieb keinen einzigen gegeben. Weder unter Bediensteten noch im Zuschauerraum der verschiedenen Bühnen. Und immerhin zählte man in den ersten sechs Wochen der Herbstsaison 43.000 Besucher.

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