Die Grünen entscheiden am Montag, wer der zurückgetretenen Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek nachfolgt. Der Erweiterte Bundesvorstand der Regierungspartei trifft dazu am Abend in einer Videokonferenz zusammen. Lunaceks Nachfolgerin soll dann am Dienstag von Vizekanzler Werner Kogler der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Lunacek hatte am Freitag ihren Rücktritt als Kunst- und Kulturstaatssekretärin Ulrike bekannt gegeben. Sie habe gemerkt, dass die Unzufriedenheit und Enttäuschung im Kulturbereich trotz ihrer Bemühungen "nicht geringer wurde" und sie "keine positive Wirkung mehr erzielen konnte", erklärte sie. Als Nachfolgerin wird die frühere Leiterin der Kunst- und Kultursektion und aktuelle Kabinettsdirektorin von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Andrea Mayer (vor ihrer Heirat Ecker), gehandelt.

Wolfgang Schüssel, Franz Morak und Elisabeth Gehrer, Claudia Schmied, Josef Ostermayer, Thomas Drozda, Gernot Blümel, Alexander Schallenberg, Karoline Edtstadler, Werner Kogler und Ulrike Lunacek - die kommende Kunst- und Kulturstaatssekretärin wird bereits die zwölfte Persönlichkeit innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte sein, die auf Regierungsebene für Kunst und Kultur verantwortlich ist.

Die oft beschworene "Chefsache" (formal waren die Bundeskanzler Viktor Klima und Wolfgang Schüssel für Kunstagenden zuständig, ließen diese jedoch von den Staatssekretären Franz Wittmann und Franz Morak betreuen) war in der Zweiten Republik tatsächlich mehr ein Wanderpokal, der außerdem häufig jeweils nur zur Hälfte gefüllt war - dann nämlich, wenn die Agenden (etwa für Museen und zeitgenössisches Kunstschaffen) gesplittet waren. Seit fast einem halben Jahrhundert ist zudem die Auslandskultur im jeweiligen Außenministerium verankert, eine seither immer wieder in Vorwahlzeiten diskutierte Zusammenführung "passierte" seither einzig unter der von Brigitte Bierlein geführten Beamtenregierung.

In der ersten provisorischen Nachkriegsregierung 1945 unter Karl Renner gab es ein Staatsamt für Volksaufklärung, Unterricht, Erziehung und Kultusangelegenheiten, geleitet von Staatssekretär Ernst Fischer bzw. dem für Kultusangelegenheiten zuständigen Unterstaatssekretär Ernst Hefel. In den folgenden rot-schwarzen Koalitionen (1945-66) und der ÖVP-Alleinregierung unter Bundeskanzler Josef Klaus (1966-70) war die Kultur im Unterrichtsministerium angesiedelt, allerdings nicht namentlich ausgewiesen. Politisch stand sie im Einflussbereich der ÖVP, die mit Felix Hurdes (1945-52), Ernst Kolb (1952-54), Heinrich Drimmel (1954-64), Theodor Piffl-Percevic (1964-69) sowie Alois Mock (1969-70) kontinuierlich die Unterrichtsminister stellte.

Mit dem Wahlsieg von Bruno Kreisky 1970 gelangten Kunst und Kultur in der Zweiten Republik erstmals in die Zuständigkeit der SPÖ. Das Unterrichtsministerium wurde zum Ministerium für Unterricht und Kunst. Parallel dazu wurde ein eigenes Ministerium für Wissenschaft und Forschung gegründet, dem die Kunsthochschulen, die Bundesmuseen und der Denkmalschutz übertragen wurden. Die Auslandskultur wanderte 1973 aus dem Kunst- ins Außenministerium. Das Wissenschaftsministerium unterstand die gesamte Kreisky-Ära hindurch Hertha Firnberg.

Erster Minister für Unterricht und Kunst war Leopold Gratz, gefolgt ab 1971 von Fred Sinowatz, der auch in der dritten und vierten Kreisky-Regierung bis 1983 in dieser Funktion blieb und somit der längst dienende Kunstminister Österreichs war. Der 2008 gestorbene studierte Historiker erfreut sich von den Kulturpolitikern der Zweiten Republik heute der wohl besten Nachrede. Tatkräftig setzte er die gesellschaftspolitischen Ziele der sozialistischen Regierungen unter Kreiskys Führung auch auf dem Gebiet von Kunst und Kultur um.

In der rot-blauen Koalition unter seiner Kanzlerschaft (1983-1986) wurde Helmut Zilk (SPÖ) Minister für Unterricht und Kunst, gefolgt 1984 von Herbert Moritz (SPÖ). Wissenschaftsminister unter Sinowatz wurde Heinz Fischer (SPÖ). Fischer und Moritz blieben auch in der ersten Regierung unter Kanzler Franz Vranitzky (1986/87) im Amt.

In der zweiten Vranitzky-Regierung 1987 löste Hilde Hawlicek (SPÖ) Moritz ab, während das Wissenschaftsministerium, in dem Bundesmuseen, Denkmalschutz und Kunsthochschulen ressortierten, an den Koalitionspartner ÖVP abgetreten wurde: Die SPÖ war für die lebende, die ÖVP für die "tote" Kunst zuständig. Wissenschaftsminister Hans Tuppy wurde im Zug der Regierungsumbildung 1989 von Erhard Busek (ÖVP) abgelöst. Für die Auslandskultur war während der gesamten Großen Koalition das Außenministerium zuständig.

Auf Hawlicek folgte 1990 Rudolf Scholten. 1994 folgte eine Umstrukturierung in den Ressort-Zuständigkeiten: Scholten nahm die bisher im Unterrichtsministerium angesiedelten Bundestheater, bildende und darstellende Kunst, Literatur und Kunstförderung mit in das neue Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Die Bundesmuseen, Bibliotheken und der Denkmalschutz wurden nunmehr im Ministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreut, das bis 1995 von Erhard Busek und danach von Elisabeth Gehrer (ÖVP) geleitet wurde.

In der nächsten Großen Koalition unter Kanzler Viktor Klima (SPÖ) wanderten die Kunstagenden 1997 dann vom Wissenschaftsministerium ins Bundeskanzleramt und wurden zu "Chefsache" erklärt. Statt des Kanzlers kümmerte sich mit Peter Wittmann (SPÖ) ein Staatssekretär im Bundeskanzleramt um die Kunstagenden.

Auch die schwarz-blaue Wende unter Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) beließ die Kunst am Ballhausplatz: Auf Wittmann folgte 2000 Franz Morak (ÖVP) als Staatssekretär für Kunst und Medien. Das Ministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wurde zum weiterhin von Elisabeth Gehrer geleiteten Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

2007 knüpfte dann die Regierung Gusenbauer mit der Zusammenlegung von Unterricht und Kunst in ein SPÖ-geführtes Ministerium an die Tradition an, die 1970 mit dem Wahlsieg Bruno Kreiskys begann. Unter Claudia Schmied (SPÖ) wurden auch Kunst und Kultur wieder zusammengefasst und von Staatssekretärsebene auf Ministeriumszuständigkeit gehoben. So unterstanden Bundestheater und -museen erstmals seit 1970 wieder demselben Minister, was auch in der 2008 startenden Regierung Faymann I so blieb.

Als 2013 das Team Faymann II antrat, wanderten die Kunst- und Kulturagenden zu SPÖ-Kanzleramtsminister Josef Ostermayer. Mit der Übernahme der Kanzlerschaft durch Christian Kern (SPÖ) 2016 änderte sich zwar auch der Kopf an der Spitze, nicht jedoch der Zuschnitt eines Kanzleramtsministers mit der Zuständigkeit für Kunst und Kultur: Thomas Drozda (SPÖ), zuvor bei den Bundestheatern und bei den Vereinigten Bühnen Wien im Spitzenmanagement, füllte den Posten nun aus.

Dass die Kultur beim Kanzleramtsminister angesiedelt ist, änderte auch die türkis-blaue Regierung Kurz I im Jahr 2017 nicht: Gernot Blümel übernahm das Portfolio gemeinsam mit der Regierungskoordination, den EU-Agenden und der Medienverantwortung. Erst unter der Interimsregierung von Brigitte Bierlein kam es im Vorjahr zur gröberen Änderung, blieben die Kulturagenden zwar weiter im Bundeskanzleramt angesiedelt, wurden allerdings von Außenminister Alexander Schallenberg geführt.

Dass nach der Bildung der neuen türkis-grünen Regierung Kurz II und vor der formellen Transformierung der Agenden Karoline Edtstadler (ÖVP) kurzzeitig für Kunst- und Kultur zuständig war, wurde eigentlich nur durch eine am Vorabend der Amtsübergabe vollzogene Abberufung von drei Kuratoriumsvorsitzenden in Bundesmuseen publik: Als Kanzleramtsministerin für Europafragen hatte sie vorübergehend auch Schallenbergs Kultur-Zuständigkeit übernommen.

In der jetzigen Regierung zeichnet Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler nicht nur für Sport und Beamte, sondern auch für Kunst und Kultur verantwortlich. Ulrike Lunacek war als Staatssekretärin an seiner Seite zwar als erstes Regierungsmitglied seit langem nur für Kunst und Kultur zuständig, aber weder im Rang einer Ministerin noch mit langjähriger Fachexpertise und entsprechendem Vertrauen in der Kulturbranche ausgestattet. Nach nur 129 Tagen im Amt gab Lunacek bekannt, sie habe gemerkt, dass die Unzufriedenheit und Enttäuschung im Kulturbereich trotz ihrer Bemühungen "nicht geringer wurde" und sie "keine positive Wirkung mehr erzielen konnte": "Ich mache Platz für jemanden anderen." Wer das sein soll, wird Kogler heute, Montag, Abend seinen Parteigremien vorschlagen.