Der ORF widmet seine Diskussionssendung "Im Zentrum" am kommenden Sonntag ausschließlich einem Interview mit SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann. Ein entsprechender Bericht der Gratiszeitung "Heute" wurde der Austria Presseagentur (APA) am Montag vom ORF bestätigt. Begründet wurde dies mit dem EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise am heutigen Montag, bei dem Faymann Österreich vertritt.

Man nehme sich damit Anne Will in der ARD zum Vorbild, die zuletzt ein Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesendet hatte. Einzel-Interviews mit anderen Politikern seien vorerst "Im Zentrum" nicht geplant. Andere Formate als die übliche Diskussionsrunde seien aber auch nicht ausgeschlossen, hieß es im ORF. So wurde etwa darauf verwiesen, dass es auch im Jahr 2015 schon anlässlich 70 Jahre Kriegsende eine Sendung mit Hugo Portisch und der Autorin Maja Haderlap gegeben habe.

Für den ATV-Polittalk "Klartext" hat der Bundeskanzler hingegen abgesagt, wie Moderator Martin Thür der Kleinen Zeitung bestätigt. Laut APA hätte es Faymann demnach lieber gesehen, wenn live gesendet und der Sendeplatz  ausschließlich ihm zur Verfügung gestanden wäre. "Klartext" ist aufgezeichnet, geplant war ursprünglich zum Auftakt der vierten Staffel am Montagabend eine Ausgabe mit Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Letzterer ist nun der alleinige Gast in der heutigen Sendung. Diese ist ab 20.15 Uhr live unter atv.at abrufbar und läuft um 23.25 Uhr auf ATV.

"Fragwürdig und ungeschickt"

Angesichts der Einzeleinladung von Werner Faymann sehen ÖVP, FPÖ und Grüne die Glaubwürdigkeit und Objektivität des Senders auf dem Spiel und einen "Kniefall" im Vorfeld der ORF-Wahl. Dass der ORF ausschließlich den SPÖ-Chef einladen will, sei "nicht nur politisch fragwürdig, sondern auch noch besonders ungeschickt", erklärte ÖVP-Mediensprecher Peter McDonald. Ein öffentlich-rechtlicher Sender sollte bei der Auswahl seiner Gäste besondere Sensibilität an den Tag legen. "Gerade in Anbetracht dieser besonderen Stellung und auch dessen, dass im Sommer ein neuer Generaldirektor gewählt wird, setzt Generaldirektor Alexander Wrabetz durch derartige Signale, die in Richtung politischer Interventionen interpretiert werden können, Glaubwürdigkeit und Objektivität des ORF aufs Spiel", so McDonald, der von Wrabetz ein Überdenken der Entscheidung forderte.

"Medienpolitischer Skandal"

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sprach von einem "medienpolitischen Skandal der Sonderklasse". Offensichtlich handle es sich um einen "vorsorglichen Kniefall der ORF-Führung angesichts der bevorstehenden Generaldirektorswahlen", so der FPÖ-Politiker. "Die parteipolitische Einseitigkeit des ORF ist ja allgemein bekannt, aber so offen hat er sich noch selten als Rotfunk deklariert." Es sei ungeheuerlich, dass es Faymann in einer Sendung, die als Diskussionsrunde gedacht sei, gestattet werde, ohne Mitdiskutanten seine Sprechblasen abzusondern.

"Werner allein im Wohnzimmer"

Kritik kam auch von den Grünen. "Werner Faymann scheut Diskussionen mit der politischen Konkurrenz. Schon bei der letzten Nationalratswahl verweigerte er die Elefantenrunde. Jetzt bekommt er mit 'Werner allein im Wohnzimmer' ein eigenes Sendungsformat", so Mediensprecher Dieter Brosz. "Es ist einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk unwürdig, im Vorfeld der anstehenden ORF-Neuwahl vor dem roten Parteichef zu buckeln. Wenn der ORF der Meinung ist, dass ein Interview mit Faymann die journalistisch bessere Alternative ist, gäbe es dafür die 'Pressestunde'. Offenbar kann Faymann sogar den Zeitpunkt der Ausstrahlung eines Interviews diktieren. Das ist nur mehr peinlich und wohl ein Vorgeschmack darauf, was uns in den nächsten Monaten noch alles erwartet."