Mit Martin Thürs Polittalk "Klartext" gelang ATV im Oktober 2014 eine mutige Programminnovation – ganz entgegen den typischen Krawall-, Reality- und Trash-Formaten des Privatfernsehens. Von der Kritik geschätzt und Romy-prämiert, aber wohl von zu wenigen gesehen (58.000 im Schnitt), verlegt ATV Staffel vier nun ab heute von 22.25 Uhr auf 23.25 Uhr. Ein Interview mit dem 33-jährigen St. Pöltner über die Bundespräsidentschaftswahl, seine Romy-Nominierung und den neuen Sendeplatz.

Herr Thür, Staffel vier startet heute Abend mit einem Interview mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Schon ab Folge zwei sind die Kandidaten der Bundespräsidentschaftswahl zu Gast. Fehlt da nicht jemand?
MARTIN THÜR: Der Herr Bundeskanzler wollte nicht kommen, daher haben wir das Gespräch anlässlich Halbzeit der Legislaturperiode am 30. März nur mit dem Vizekanzler geführt.

Ist es beim Bundeskanzler eigentlich inzwischen überraschend, sagt er eine Einladung einmal nicht ab?
THÜR: Wir hatten ihn letztes Jahr anlässlich der Steuerreform, aber es ist immer etwas herausfordernd. Ich kann ihn jedoch nicht zwingen zu uns in die Sendung zu kommen.

Ab 14. März kommen Woche für Woche die aussichtsreichsten Kandidaten für die Präsidentenwahl in die Sendung. Wie ist Ihr Eindruck von dieser Wahl bislang?
THÜR: Es ist jedenfalls so spannend und interessant wie überhaupt noch nie - zumindest so weit ich mich zurückerinnern kann. Aber de facto findet ja auch nur alle zwölf Jahre eine spannende Bundespräsidentschaftswahl statt. Diesmal haben wir nicht zwei oder drei aussichtsreiche Bewerber, sondern gleich fünf. Und die sind zudem noch seit Jahrzehnten politisch tätig. Von allen gibt es extrem viele Aussagen und extrem viele Positionen, die es einfach zu hinterfragen gilt – daher erwarte ich, dass es sehr spannende Interviews bei uns in "Klartext" werden. Und 25-minütige Gespräche mit nur einem Kandidaten hat sonst kein Sender.

Außer womöglich der ORF im Rahmen der "Pressestunde".
THÜR: Das stimmt, das hatte ich vergessen. Aber ich habe einen "Zaubertisch", auf dem ich die Kandidaten mit Inhalten konfrontieren kann.

2015 wurde "Klartext" mit einer Romy ausgezeichnet, heuer sind Sie in der Kategorie "Information" nominiert. Ist die Freude diesmal eine andere?
THÜR: Nein, man freut sich genauso und ich sehe beides als Auszeichnung für unser Team und für die Arbeit, die wir machen. Die Romy bzw. die Nominierung gehört den ca. 15 Menschen, die Woche für Woche an "Klartext" mitarbeiten.

Ist es dennoch schwieriger geworden, Information bzw. Nachrichten für einen Privatsender zu machen?
THÜR: Naja, es ist natürlich insofern schwierig, weil die finanziellen Mittel beschränkt sind und man immer um den Stellenwert kämpfen muss. Es ist nicht so einfach, in einem Sender, dessen vorrangiges Geschäft die Unterhaltung ist, drauf zu drängen, dass auch Politik und politische Nachrichten relevant sind. Eine Aufgabe, die sicher herausfordernder ist als in einem öffentlich-rechtlichen Sender. Aber dafür redet mir niemand rein, was für Fragen ich stellen darf und ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass unsere Sendung unabhängig ist und das freut mich auch.

Nun erntet "Klartext" gute Kritiken und eine Romy. Aber die neue Staffel läuft eine Stunde später als bislang - um 23.25 Uhr. Was ist denn das für ein Signal?
THÜR: Naja, natürlich bin ich damit nicht glücklich, da braucht man nichts schönreden. Aber das ist die Entscheidung des Programmchefs und die muss ich respektieren. Mein Wunsch war, die Sendung montags zumindest schon ab 20.15 Uhr online abrufbar zu machen – für diejenigen, denen 23.25 Uhr zu spät ist. Aber für mich ändert sich sonst ja nichts. Ich mache eine Sendung und gebe das Band ab. Wann sich der Sender entscheidet es auszustrahlen, liegt nicht in meinem Bereich.

2015 bekam
2015 bekam "Klartext" eine Romy, heuer ist Martin Thür nominiert © APA

Sie sind bei ATV nach wie vor glücklich?
THÜR: Ja, weil ich mit "Klartext" meinen absoluten Traumjob habe. Wir sind ein kleines feines Team, das Spaß daran hat, sich tief in Themen hinein zu graben und sich für Gäste Zeit nehmen kann.

Sie arbeiten seit bald 14 Jahren bei ATV. Manche Menschen in Ihrem Alter streben Anfang, Mitte 30 den nächsten Schritt an.
THÜR: Ich habe den nächsten Schritt getan, indem ich mir 2014 mit "Klartext" meine eigene Sendung geschrieben hab. Wer mir den Gehaltsscheck ausstellt ist mir weniger wichtig als die Frage, was ich dann dort machen kann. Und da hat mir ATV schon eine tolle Chance geboten.

Und wenn es einmal heißt, "Herr Thür, kommen Sie zu uns auf den Küniglberg. Wir brauchen ein neues Gesicht für die ZiB 2!"?
THÜR: Dann wird man sich das dann überlegen, aber das steht zurzeit wirklich nicht zur Debatte. Ich habe in meinem Leben noch nie langfristige Karriereplanungen unternommen, sondern immer versucht, im Alltag und der nahen Zukunft schöne Dinge zu machen, die mir Spaß machen. Und so lange das gegeben ist, werde ich es auch weiterhin tun. Darum geht es mir, nicht um eine schöne Visitenkarte.