Knapp jenseits der Grenze, wo der berühmte "erste Kaffee" als caffè gleich so viel besser schmeckt, wird Multikulturalität seit jeher bewusst gelebt. Es wird Deutsch, Italienisch, Slowenisch und Friulanisch gesprochen. In Tarvis und seinem Umland, dem Tarvisiano, trifft man also binnen weniger Kilometer auf drei Staatsgebiete und vier Sprachen – und Küchen.

Ein Ausflug auf den Monte Lussari (oder Luschariberg oder Svete Višarje) hat unter der Woche seinen besonderen Reiz, weil es ruhig ist. Wer den Impuls dazu hat, erobert ihn zu Fuß, über den Büßerweg. Und wer diesen freiwillig geht, wird schon seinen Grund haben. So wie ich. Neu ausgerüstet mit bestprofilierten Bergschuhen und Hightech-Teleskopstöcken, die sich als hilfreich erweisen werden. Der Weg an sich bietet wenig Grund, die 1000 Höhenmeter hinaufzuwandern, aber der Entspannung wegen pilgert man nicht auf diesen heiligen Berg mitten in Mitteleuropa. Der Kreuzweg mit seinen Stationen erlaubt, da und dort innezuhalten, wirkt motivierend, man zählt mit und überlegt: Wie viele waren es doch gleich – vierzehn?

Besuch bei der Wallfahrtskirche

Das Dörfchen ganz oben, das nur aus ein paar Gasthäusern, Souvenirläden und der Wallfahrtskirche Maria Lussari besteht, ist irgendwie hip geworden. Ein Ort, an dem es die erste Kapelle schon 1360 gab. So ein Ausflug auf den Lussari kann viele Gesichter haben: ein mühseliges, ein sportliches, ein genussvolles, ein freudvolles. Was hier alle eint, die Wanderer und Mountainbiker, die Skifahrer und Pilger, die Tourengeher und Genießer, die Gastwirte auf dem Berg und die Einwohner dem Berg zu Füßen, ist das Mysterium rund um das schmucke Kirchlein.

Die kleine Wallfahrtskirche birgt einige Überraschungen. Sogar beichten kann man in mehreren Sprachen
Die kleine Wallfahrtskirche birgt einige Überraschungen. Sogar beichten kann man in mehreren Sprachen © Nicole Richter

Die Segnungen zweier Päpste zieren das Kircheninnere, außerdem Bildchen und Fürbitten zugunsten Verstorbener, Vermisster und Kranker, die hell leuchtenden Kerzen im Kirchenschiff, die "gebenedeiten" Rosenkränze hinter dem Altar. Hat man auf dem kleinen Plateau sein persönliches Programm absolviert, vielleicht auch noch mutig das Gipfelkreuz auf 1790 Meter erklommen, kann man getrost zu Handfesterem schreiten.

Spezialitäten auf dem Teller

Etwa im Rifugio al Convento. Oder, wie alle sagen: Beim Jure. Zu einem Teller mit dampfendem Frico, dazu gerührte Polenta. Die Kellnerin serviert flott ein Zweierlei. Extrawürste für eine golosa wie mich, die gerne alles hätte und sich beim Entscheiden schwertut, werden ohne Wimpernzucken berücksichtigt. Auf der einen Tellerhälfte befinden sich Tagliolini mit Pilzen, auf der anderen Tagliatelle con capriolo, mit Rehragout. Köstlich auch das Orzotto – Rollgerste, cremig wie Risotto zubereitet – mit Radicchio oder anderem Gemüse der Saison. Für Süße gibt es Apfelstrudel, Sachertorte oder Tiramisu. Alles mit Belohnungsfaktor 10 – sofern man sich zuvor sportlich betätigt hat! Dazu schmeckt der Hauswein, der von Livon, aus dem Collio, das letzte Stück per Gondel anreist.

Hat man es heraufgeschafft, ist die Vorfreude auf ein herzliches Willkommen mit kräftigendem Essen doppelt groß
Hat man es heraufgeschafft, ist die Vorfreude auf ein herzliches Willkommen mit kräftigendem Essen doppelt groß © Nicole Richter

Für jeden hat der Wirt, Jure Preschern, ein freundliches Wort, und zwar in vielerlei Sprachen, die er beherrscht. Seit 1995 ist er hier oben und seine Freude scheint ungebrochen. Die Gäste kommen nicht nur aus den aneinandergrenzenden Ländern, sondern von überallher – gar aus Argentinien, Frankreich und Schweden.

So entspannt sieht man Jure Preschern, den Wirt vom Rifugio al Convento, nur selten. Speziell im Winter ist er fast rund um die Uhr im Einsatz
So entspannt sieht man Jure Preschern, den Wirt vom Rifugio al Convento, nur selten. Speziell im Winter ist er fast rund um die Uhr im Einsatz © Nicole Richter

Auch die Küchenlinie ist bei ihm ein Spiegelbild der Geografie: friulanisch, italienisch, slowenisch und ein wenig österreichisch, siehe oben. Jure kennt die kulinarischen Vorlieben seiner Gäste genau und weiß sie landestypisch zuzuordnen: Österreicher trinken Rotwein und essen Spaghetti, Italiener trinken Bier und essen Würstel und Gulasch, die Slowenen mischen ein wenig, sind aber Traditionalisten.

Berauschendes Panorama

Länger als ein bis zwei Nächte empfiehlt er übrigens nicht zu bleiben, zumal man sich sonst langweilen und womöglich nicht wiederkommen würde. Am Abend sind auf dem Berg nur wenige Personen, es ist still. "Viel gibt es nicht zu tun rundum", meint Jure. "Man ist ja schon auf dem Gipfel, da geht's nicht weiter …"

Und ich? Muss das berauschende Panorama für heute verlassen. Auch zum Abschluss gibt es schön starken caffè, jetzt aber mit einem Grappa "vom Haus" – und die Telecabina kann kommen. Letzte Abfahrt für alle, die bequem wieder hinunterwollen. Also hinaus in den kräftigen Wind, der alle postprandiale Müdigkeit im Nu vertreibt. Ich komme bald wieder, um zu bleiben, zumindest für eine Nacht.

Das Buch ist im Styria-Verlag erschienen
Das Buch ist im Styria-Verlag erschienen © Styria