Gemeinsam aufstehen, Kaffee trinken, sich mit einem Kuss verabschieden und dem Partner ein schönes Date mit einer fremden Person wünschen. Ein befremdliches Bild? Nicht in der Polyamorie!

Marianne aus Klagenfurt lebt mit ihrem Partner in einer polyamoren Beziehung. Sie ist gleichzeitig auf der Suche nach einer weiteren Beziehung. Den Mann an ihrer Seite bezeichnet sie als ihren „Nestpartner“, mit dem sie zusammenwohnt und den Großteil des Alltags verbringt.

Der Beginn einer Liebesgeschichte

Wie sie sich kennengelernt haben, erzählt Marianne „immer gerne“. Begonnen hat alles vor bald zwei Jahren auf Tinder. Sie hatte bereits in ihrem Profil angegeben, auf der Suche nach einer polyamoren Beziehung zu sein. Also wurde es nach etwas Small Talk auch schnell Thema, denn ihr Partner kannte Polyamorie, hatte aber bislang nur monogame Beziehungen geführt.

„Ich war dann ganz frech, und habe ihn zu einem Polyamorie-Picknick mit Freunden am nächsten Tag eingeladen“, erzählt sie. Er habe nichts vorgehabt und sei tatsächlich gekommen. „Seitdem sind wir zusammen.“

Regeln des Datens

Beide dürfen andere Menschen treffen, doch sie haben Regeln. Spätestens 24 Stunden vor einem Date mit einer fremden Person sollte man dem Partner Bescheid geben. Außerdem sind am ersten Date nur Umarmungen und ein Küsschen erlaubt. „Alles, was sexuell weiter geht, wäre nichts für uns, weil wir auf langfristige Beziehungen aus sind und nicht auf One-Night-Stands.“

Wird man jedoch intim mit einer weiteren Person, sei vor allem Verhütung sehr wichtig. Und zu guter Letzt: Mit nach Hause gebracht wird erst jemand, wenn es eine ernsthafte Beziehung ist.

Tinder-Erfahrungen

Marianne ist auf rund sieben Dating-Apps angemeldet. Ihre Favoriten sind Tinder, Lovoo und Bumble, aber „je nischiger die App, desto weniger Personen und kleiner ist der Dating-Pool.“ Die Polyamorie erwähnt sie immer in ihrem Profil, da ihr offene Kommunikation sehr wichtig ist.

Sie kann sich noch an ein Treffen mit einem jungen Villacher erinnern, mit dem sie Billard spielen war. „Wie es beim Billard ist, wenn man den Queue zwischen den Fingern hält, sieht man die Hände gut. Da fällt mir auf der linken Hand ein goldener Ring auf.“ Wie sich herausstellte, war er verheiratet. „Es war komisch, erst nach längerer Zeit und auf eigenes Nachfragen draufzukommen, weil ich mit meiner Polyamorie so offen umgehe.“

Eifersucht und Kommunikation

Eifersucht spiele gar keine Rolle in ihrer Beziehung. Dennoch verstehe sie es, wenn andere Menschen eifersüchtig sind. Das sei nur dann der Fall, „wenn ich ein Problem mit einer Situation habe oder neidisch bin und daran kann man definitiv arbeiten“.

Klischee Nummer eins, das sie höre, ist, dass man nicht eifersüchtig sein darf. Dazu sagt sie: „Doch darf ich schon, aber ich muss mit meinem Partner reden können.“ Man müsse sich selbst reflektieren.

Unterschied zur offenen Beziehung

In der Polyamorie sei vor allem wichtig, dass alle Beteiligten voneinander wissen. „Du bist nicht polyamor, nur weil du deinem Partner eine Affäre verheimlichst.“

Auch wenn alle davon wissen, ist es in offenen Beziehungen oft nicht erlaubt, sich zu verlieben. Den Unterschied sieht die Klagenfurterin darin, dass in der Polyamorie Gefühle erwünscht seien.

Gemeinschaft gegen Einsamkeit

Sie würde sich wünschen, dass es akzeptiert wird, in dieser Beziehungsform zu leben und zu lieben. „Ich zwinge es niemandem auf, akzeptiere aber Menschen, die so leben wollen.“ Um eine Gemeinschaft aufzubauen, damit man sich „in der Polyamorie nicht mehr so alleine fühlt“, hilft sie bei der Organisation des Polyamorie-Stammtischs in Klagenfurt mit. Der Poly-Tisch wird auch heuer wieder bei der Pride in Klagenfurt mitgehen.

Der Polytisch trifft sich jeden zweiten Freitag im Monat in der Hafenstadt in Klagenfurt. Polyamorie-Interessierte und polyamor Lebende können Erlebnisse auszutauschen und Fragen stellen. Einzige Regel: Man darf alles fragen, muss aber nicht alles beantworten.