Für Aufhorchen sorgte dieser Tage ein Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH). Weil ein Kärntner Gynäkologe eine schwere Behinderung bei einem ungeborenen Kind übersehen hatte, muss dieser den gesamten Unterhaltsaufwand für das Kind bezahlen. Bislang wurde der Facharzt zu einer Zahlung von 76.500 Euro verpflichtet. Das Gericht ging mit der wegweisenden Entscheidung von der bisherigen Judikatur ab: Es darf keine Unterscheidung mehr zwischen der ungewollten Geburt gesunder und behinderter Kinder geben. Aus schadensrechtlicher Sicht ist beides gleich zu beurteilen. Bei korrekter Diagnose hätten sich die Eltern für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden, hieß es von deren Rechtsanwältin.

„Kind als Schadensfall“

Das OGH-Urteil ruft heftige Kritik hervor. Susanne Kummer, Direktorin des Bioethik-Instituts IMABE, warnte in einer Stellungnahme gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress, dass dieses Urteil, obwohl nicht beabsichtigt, unweigerlich die Wahrnehmung „Kind als Schadensfall“ fördern werde. Die Ethikerin kritisiert weiters, dass „Eltern, die ihr behindertes Kind annehmen, ohne eine Abtreibung in Erwägung zu ziehen, nun ungleich schlechter dastehen, was den Anspruch auf finanziellen Ausgleich anlangt, als jene, die von vornherein sagen: ‚Wir hätten das Kind bei Behinderung abgetrieben, jetzt müssen wir für es sorgen‘“. Wichtig sei die Schaffung gesetzlicher Regelungen, damit es für alle betroffenen Familien mit beeinträchtigten Kindern Unterstützung gibt, so Kummer.

Johann Hager, Präsident des überkonfessionellen Vereins „Aktion Leben“, spricht sich dafür aus, dass Ärzte nur dann haften sollten, wenn sie eine Behinderung verursacht haben. Sofern Eltern und Kinder Hilfe benötigten, sei anstatt Schadenersatz eine solidarische Unterstützung der Gesellschaft nötig. Zudem sollte eine einzige zuständige Anlaufstelle für Eltern von Kindern mit Behinderung geschaffen werden, bei der alle Behördengänge erledigt werden können.

„Unantastbare Rechtsgüter“

Dass Geburt und Existenz eines Kindes kein „Schaden“ seien, betont Wolfgang Mazal, Präsident des Katholischen Laienrats Österreichs, gegenüber der Kathpress. In der öffentlichen Debatte komme zu kurz, dass „Leben und Persönlichkeit eines Kindes zweifellos unantastbare Rechtsgüter sind, und dass Geburt und Existenz eines Kindes selbstverständlich auch nicht als Schaden betrachtet werden können“. Mazal hebt weiters hervor: „Eine Gesellschaft, in der die Abtreibung behinderten Lebens explizit als rechtmäßig qualifiziert wird, nimmt sehenden Auges eine nachhaltige Gefährdung der Humanität in Kauf.“