Die Initiative von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und des französischen Staatschefs Emmanuel Macron sei "ein kühner Schritt in die richtige Richtung, um diese Krise zu überwinden. Diese Initiative könnte die Eurozone langfristig prägen. "Wir werden sehen, wie es funktioniert", sagte Eurogruppen-Vorsitzende Mario Centeno im Interview mit der deutschen Zeitung "Welt am Sonntag". "Der deutsch-französische Vorschlag wäre ein großer Schritt hin zu einer Fiskalunion und zu einer wirklich funktionierenden Währungsunion, selbst wenn der Wiederaufbaufonds nur zeitlich begrenzt ist."

Centeno, zugleich portugiesischer Finanzminister, rief die europäischen Regierungen auf, sich rasch auf Kernelemente des europäischen Konjunkturprogramms zu einigen. "Es wäre gut, wenn wir uns vor dem Sommer auf die Grundzüge des Wiederaufbaufonds einigen." Eine Reihe von EU-Ländern lehnt den Plan von Merkel und Macron ab. In einem Gegenentwurf haben sich vier kleinere EU-Staaten, darunter Österreich, dafür stark gemacht, die Wirtschaft in der Coronakrise mit günstigen Krediten statt mit Zuschüssen wieder in Schwung zu bringen.

"Ist die richtige Antwort"

Wie Centeno unterstützt auch die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer den deutsch-französischen Milliarden-Plan. "Dieser Vorschlag ist aus meiner Sicht in einer historischen Situation, in der der europäische Zusammenhalt auf die Probe gestellt wird, die richtige Antwort", sagte Kramp-Karrenbauer dem Sendernachrichtenportal n-tv.de. "Ich werde am Montag im CDU-Bundesvorstand empfehlen, dass wir diesen wegweisenden Plan für ein wirtschaftlich vitales Europa unterstützen."

Laut Merkels und Macrons Konzept im Umfang von 500 Milliarden Euro soll das Geld von der EU-Kommission als Kredite am Kapitalmarkt aufgenommen und über den EU-Haushalt als Zuwendungen verteilt werden. Krisenstaaten wie Italien oder Spanien, aber auch betroffene Branchen könnten Zuschüsse bekommen. In ihrem Gegenentwurf machen sich Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande dafür stark, die Wirtschaft mit günstigen Krediten statt mit Zuschüssen wieder in Schwung zu bringen.

Auch Bundestagspräsident und Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warb dagegen klar für den deutsch-französischen Vorstoß. "Ich habe intern sehr dazu geraten, es genauso zu machen", sagte er der "Welt am Sonntag". "Denn wir haben eine neue Situation." Europa erfahre einen wirtschaftlichen Einbruch, "wie wir ihn zu unseren Lebzeiten nicht erlebt haben". Als Finanzminister habe er immer vertreten, darauf zu achten, dass "die Zuständigkeit für Entscheidungen nicht von der Verantwortung dafür abgekoppelt wird". "Und deshalb vergemeinschaften wir jetzt auch nicht alte Schulden, sondern die EU-Kommission soll den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Europa vorantreiben. Weitere Kredite an die Mitgliedsländer wären hingegen Steine statt Brot gewesen, denn eine Reihe von ihnen ist jetzt schon hoch verschuldet."

Gespräch mit Parlament suchen

FDP-Chef Christian Lindner rechnet damit, dass die deutsche Regierung beim geplanten EU-Wiederaufbauplan für die Wirtschaft im Bundestag auf Unterstützung aus der Opposition angewiesen ist. "Wir gehen davon aus, dass es für ein solches Projekt im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit braucht", sagte Linder der "Bild am Sonntag". "Daher wäre es gut, wenn die Bundesregierung bald das Gespräch mit dem Parlament sucht." Lindner sagte: "Dass die Niederlande und Österreich nicht mitmachen wollen, ist ein Warnzeichen für uns. Ein falscher Anreiz zu unsolider Finanzpolitik könnte darin bestehen, dass die Gelder nicht zurückgezahlt werden müssen." Zudem seien die Bedingungen und Ziele unklar. "Europa wird nicht stärker, wenn mit gemeinsamen Schulden wieder nur notwendige Reformen aufgeschoben werden."

Zähes Ringen um Wiederaufbaufonds

Nachdem Deutschland und Frankreich am vergangenen Montag ihren Vorschlag für einen coronabedingten EU-Wiederaufbaufonds im Umfang von 500 Milliarden Euro vorgelegt hatten, präsentierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstag gemeinsam mit seinen Verbündeten Niederlande, Dänemark und Schweden einen Gegenentwurf. Am Mittwoch wird schließlich die EU-Kommission ihre Vorschläge darlegen.

Dass den von der Coronakrise stark betroffenen Ländern finanziell geholfen werden müsse, darin sind sich alle einig, doch die Frage nach dem wie ist noch ausständig. Streitpunkt bei der Frage ist, ob die finanzielle Hilfe für EU-Staaten anhand von Krediten, die zurückgezahlt werden müssen, oder über Zuwendungen bzw. Zuschüssen erfolgen soll.

So sieht der Vorschlag von Merkel und Macron erstmals eine massive europäische Schuldenaufnahme über den EU-Haushalt vor. Die 500 Milliarden Euro sollen im Namen der EU am Kapitalmarkt aufgenommen werden und im Rahmen des mehrjährigen EU-Finanzrahmens als nicht rückzahlbare Zuschüsse an die von der Coronakrise betroffenen Krisenstaaten ausgezahlt werden.