Der erste bestätigte Coronavirus-Patient in Deutschland hat sich bei einem chinesischen Gast seiner Firma angesteckt. Die Frau aus China sei zu einer Fortbildung bei der Firma Webasto im Landkreis Starnberg in Oberbayern gewesen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Kreisen der Gesundheitsbehörden. Nach der Ansteckung soll der 33-jährige Deutsche weiter in die Arbeit gegangen sein, wie es in Medienberichten heißt. Der Infizierte liegt demnach im Münchner Klinikum Schwabing. "Es geht ihm recht gut, gestern Vormittag hat er noch gearbeitet", sagte der Präsident des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Andreas Zapf, am Dienstag in München.

Die Chinesin und der deutsche Mitarbeiter hätten im Rahmen der Schulung in einer kleinen Gruppe zusammengearbeitet. Die Ansteckung habe "in einem Intervall, in dem die Chinesin noch symptomfrei war" stattgefunden, sagte der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Andreas Zapf.

Derzeit würden 40 Kontaktpersonen in der Firma und der Familie überprüft, sagte der Leiter der Taskforce Infektiologie, Martin Hoch. "Die Zahl kann noch steigen." Der 33-Jährige habe an einer Schulung seiner Firma Webasto teilgenommen, an der auch eine Kollegin aus dem Werk des Unternehmens in Shanghai teilgenommen habe, hieß es weiter. Die Frau habe vor ihrer Reise nach Deutschland Besuch von ihren Eltern gehabt, die aus der besonders betroffenen Region Wuhan stammen. Sie sei am 23. Jänner wieder zurückgeflogen und habe sich auf dem Heimweg krank gefühlt. Sie befindet sich nach Angaben von Webasto ebenfalls in stationärer Behandlung.

Das Virus kann eine Lungenkrankheit auslösen, an der im Hauptverbreitungsland China bereits mehr als 100 Menschen gestorben sind - die meisten davon waren ältere Patienten mit schweren Vorerkrankungen. Der Landkreis Starnberg liegt rund 80 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Die Frau, die den Virus offenbar übertragen hat, ist inzwischen wieder in China.

13.400 Mitarbeiter bei betreffender Firma

Webasto ist ein großer Zulieferer für die Autoindustrie mit 13.400 Mitarbeitern und einem Umsatz von 3,4 Milliarden Euro im Jahr 2018. Weltweit hat das Unternehmen aus dem oberbayerischen Stockdorf mehr als 50 Standorte. Den Mitarbeitern in der Stockdorfer Zentrale hat das Management von Webasto für diese Woche freigestellt, ob sie ins Büro kommen wollen, oder lieber zuhause arbeiten. Schon zuvor hatte das Unternehmen sämtliche Dienstreisen nach China für die nächsten zwei Wochen abgesagt.

Besonders an dem Fall in Bayern ist, dass damit wohl erstmals weltweit eine Ansteckung zwischen nicht eng Verwandten in einem Land außerhalb Chinas nachgewiesen wurde. Bisher handelte es sich bei fast allen der rund 50 erfassten Infektionen in Frankreich, den USA, Thailand und anderen asiatischen Ländern um importierte Fälle. Die Betroffenen hatten sich bei einer Reise nach China infiziert. Lediglich ganz vereinzelte Fälle von Ansteckungen zwischen engen Familienangehörigen wurden bekannt, aber keine Übertragungen etwa auf Klinikpersonal, Arbeitskollegen oder Zufallskontakte.

Patient in gutem Zustand

Der Patient in Bayern befindet sich nach Angaben der "Task Force Infektiologie" des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) klinisch in einem guten Zustand, wie es in einer Mitteilung vom späten Montagabend hieß. "Er wird medizinisch überwacht und ist isoliert."

In Europa waren zuvor drei Infektionen mit dem neuartigen Virus nachgewiesen worden. Alle drei betrafen Menschen in Frankreich, die zuvor in China gewesen waren.

Die Gesamtzahl der weltweit bekannten Erkrankungen ist auf mehr als 4.500 gestiegen, nachdem das chinesische Staatsfernsehen am Dienstag einen Sprung um mehr als 1.700 Fälle im Vergleich zum Vortag meldete. Allein in der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei habe es auch 24 weitere Todesopfer gegeben, so dass landesweit mindestens 106 Menschen an der Lungenkrankheit gestorben seien.

Keine Impfung

Das neue Virus 2019-nCoV stammt ursprünglich vermutlich von einem Markt in der chinesischen Millionenstadt Wuhan, wo es wohl von dort gehandelten Wildtieren auf den Menschen übersprang. Eine schützende Impfung oder eine spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung gibt es nicht. Die Symptome - darunter trockener Husten, Fieber und Atemnot - können aber mit Medikamenten abgemildert werden.

Nach derzeitiger Einschätzung von Experten verläuft die neuartige Lungenkrankheit offenbar in den meisten Fällen mild, möglicherweise sogar ohne Symptome. Von den in China registrierten Todesfällen gehen die meisten nach bisherigen Erkenntnissen auf ältere und ohnehin schon stark geschwächte Patienten zurück.

Der neue Erreger ist dem Virus hinter der Sars-Epidemie 2002/2003 sehr ähnlich. Damals hatte es nach Daten der Weltgesundheitsorganisation zwischen November 2002 und Juli 2003 neun Nachweise in Deutschland gegeben. Todesfälle gab es hier nicht.

Österreichische Industrie ist in China alarmiert

Das Coronavirus aus China betrifft auch einige große österreichische Industriekonzerne, die Werke in China haben. Sie sind alarmiert und beobachten die Situation genau. Der Faserhersteller Lenzing hat bereits den internen Gesundheitsnotfallplan aktiviert. Beim ebenfalls oberösterreichischen Industriezulieferer Miba hat die Betriebsärztin die Mitarbeiter zu Vorsichtsmaßnahmen instruiert.

Die börsennotierte Lenzing beschäftigt im Faserwerk in Nanjing (300 Kilometer von Shanghai entfernt) sowie in einem Büro in Hongkong zusammen rund 500 Mitarbeiter (Vollzeitäquivalente). "Bei uns ist bereits der Health Emergency Plan aktiviert", sagte Sprecher Filip Miermans am Dienstag zur APA. Es gebe "sehr strenge Kontrollmaßnahmen" bezüglich Gesundheit, Lenzing achte genau darauf, wie es der Belegschaft geht, wo die Mitarbeiter unterwegs sind.

Die Büromitarbeiter beginnen ab 3. Februar wieder zu arbeiten, allerdings von zu Hause aus. Das genaue Datum, "wann wir zum Normalbetrieb übergehen", werde kurzfristig kommuniziert, so der Lenzing-Sprecher. Er verwies auf den Zwangsurlaub, den die Stadtregierung von Shanghai privaten und öffentlichen Firmen bis 9. Februar verhängt hat. Das Lenzing-Werk in Nanjing laufe aber.

Miba hat wegen des Coronavirus keine speziellen Warnungen geplant. Jedoch habe die Betriebsärztin Informationen ins Intranet gestellt, was aus gesundheitlicher Sicht zu beachten ist, so Unternehmenssprecher Wolfgang Chmelir auf APA-Anfrage. Da gibt es etwa allgemeine Hinweise zur Hygiene sowie das Ersuchen, einen Arzt zu kontaktieren, falls man mögliche Coronasymptome spürt.

Nach bisherigem Kenntnisstand sind weder bei Lenzing noch bei Miba Mitarbeiter erkrankt.

Miba beschäftigt 1.100 Menschen in China, der heimische Konzern hat Standorte in Suzhou in der Nähe von Shanghai und in Shenzhen nahe Hongkong.

Miba-Mitarbeiter, die vorgehabt haben, dieser Tage nach China zu reisen, seien angehalten zu verschieben, da die Reiseplanung derzeit schwierig sei, sagte der Sprecher. Auch bei Lenzing ist schon eine "interne Reisewarnung" ausgesprochen worden.