Die Welt durch die Augen eines anderen sehen. Eigentlich ein gut gemeinter Rat, um sich einem Thema aus einer neuen Perspektive zu nähern. Für Aaron James könnte dies jedoch bald im wahrsten Sinne des Wortes gelten, denn der US-Amerikaner ist der erste Mensch, dem ein ganzes Auge eines Fremden eingesetzt wurde.

Bereits im Mai dieses Jahres führten Ärztinnen und Ärzte die Mega-Operation in New York durch. Insgesamt waren mehr als 140 Chirurgen bei dem 21-stündigen Eingriff am Universitätsklinikum NYU Langone Health involviert. Dem 46-Jährigen wurde nicht nur das linke Auge transplantiert, sondern auch Teile des Gesichts eines verstorbenen Spenders. James berührte bei einem Arbeitsunfall im Juni 2021 eine Stromleitung mit seinem Kopf und bekam dabei einen 7200 Volt starken Stromschlag. Zusätzlich zu seinem linken Auge und der linken Gesichtshälfte wurde auch sein linker Arm so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass er amputiert werden musste.

Noch dient das transplantierte Auge nur kosmetischen Zwecken, denn sehen kann der Patient damit noch nichts. Ob er das jemals können wird, ist noch unklar. Ärzte der Uni-Klinik sprachen Mitte November, also rund ein halbes Jahr nach der Operation, dennoch von einem „bahnbrechenden“ Erfolg. Das Auge zeige „bemerkenswerte Zeichen der Gesundheit“, einschließlich einer Blutversorgung der Netzhaut. James selbst meinte im Oktober: „Es fühlt sich gut an. Ich habe immer noch keine Bewegung darin. Ich kann noch nicht blinzeln. Aber ich spüre es jetzt.“

„Schlüssel-Moment“ in der Augenheilkunde

Auch Ärztinnen und Ärzte anderer Krankenhäuser zeigten sich begeistert von der Transplantation. Das ist eine riesige Sache“, sagte die Chirurgie-Professorin Kia Washington von der Universität des Bundesstaates Colorado der Nachrichtenagentur AFP. Allerdings sei sie eher skeptisch, was die Funktion des Auges anbelange, da bereits sechs Monate vergangen sind. „Aber ich sage nie, dass etwas unmöglich ist“, ergänzte sie. Für Daniel Pelaez von der Universität Miami sei dies ein „Schlüssel-Moment“, der „zahlreichen Menschen weltweit Hoffnung“ gäbe.

Die Transplantation einer Hornhaut des Auges ist bereits seit einiger Zeit ein gängiger Eingriff in der Ophthalmologie. Ein ganzes Auge eines Spenders wurde vor Aaron James aber noch nie einem Menschen eingesetzt. Da der Sehnerv aus rund einer Million Nervenfasern besteht, ist noch nicht klar, ob die Sehfähigkeit durch so einen Eingriff wieder hergestellt werden kann. Dazu geforscht werde aber intensiv, wie Jeffrey Goldberg von der Stanford-Universität der AFP erklärte. Gentherapie wäre eine Möglichkeit, um den Sehnerv wiederherzustellen. Eine andere wäre eine Verbindung zwischen Auge und Gehirn ohne Miteinbezug des Sehnervs zu finden.