Heute hätte es so weit sein sollen – die erste Abfahrt über zwei Nationen, mit Start in Zermatt am Matterhorn in der Schweiz und Ziel in Cervignia  in Italien, sollte gestartet und gefahren werden. Es sollte wohl eine Art Paukenschlag sein, mit der der neue Präsident des internationalen Skiverbandes, Johan Eliasch, sein erstes "echtes" Jahr an der Spitze des Skiweltverbandes angehen wollte. Da war ihm die Herren-Abfahrt fast einen Monat vor dem gewohnten Saisonstart in Lake Louise, den es in dieser Saison übrigens zum letzten Mal in der Idylle Kanadas gibt, gerade recht.

Doch das Wetter – und die Renndirektoren der Herren rund um Markus Waldner und auch Hannes Trinkl – spielte nicht mit. Die zwei geplanten Abfahrten der Herren hatten schon vor einer Woche trotz verlängerter Frist abgesagt werden müssen, jene der Damen am vergangenen Dienstag. Statt Prestigeprojekt also ein Fehlstart in den Weltcup-Winter der Alpinen. Und die, noch spezieller, die alpinen Herren sind es, die dem Präsidenten mehr am Herzen liegen als der Rest des Wintersports. Das meinte zumindest Waldner in einem Interview mit ServusTV, als er feststellte, dass sich "seine Kollegen wundern, wie sehr er bei uns präsent ist und sich einmischt. Die anderen merken nämlich davon nichts".

Damit nicht genug: Gegen die Wiederwahl des Milliardärs formierte sich eine breite Front, der Österreichische Skiverband (ÖSV) brachte zusammen mit einigen anderen Verbänden sogar Klage vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS ein. Diese soll am 5. Dezember verhandelt werden; allerdings könnte Eliasch die Angelegenheit auch weiter verzögern. In der Zwischenzeit wird gerungen – um das Kernstück, das sich Eliasch auf die Fahnen geheftet hat: die zentrale Vermarktung des Skiweltcups. Und da kannte er keinen Aufschub: Eliasch erklärte einfach, dass die nationalen Verbände ohnehin keinerlei Recht an den Rennen besäßen – und erklärte daher alle laufenden TV-Verträge für ungültig. In Sölden erklärte er, dass ein Präsident "für alle Verbände" sein wolle, nicht nur für einige ausgewählte. Das Problem: Diese "Auserwählten" sind jene, die die Weltcups am Laufen halten – mit der Organisation der Rennen und dem generierten Interesse. Eben die Alpenländer.

Die Gräben, die er in der Kürze seiner Amtszeit aufgerissen hat, sind tief; und scheinen schwer zu kitten. Einer der Ersten, deren Begeisterung verflogen waren, ist Peter Schröcksnadel. Der langjährige Präsident des ÖSV wurde zum "Königsmacher", als er ins Eliasch-Lager wechselte. Ein Fehler, wie der Tiroler heute weiß. "In der Zwischenzeit muss ich das revidieren. Sein Zugang ist ein anderer als meiner. Der Skisport ist breit, es gibt Langlauf, Kombination, Freestyle, sogar das Skibergsteigen – und ja, auch die Alpinen. Aber ihn auf eine Sparte zu reduzieren, das geht nicht."

Warum Skisport "Nationalsport" ist

Zudem fürchtet Schröcksnadel auch eine Folge der Eliasch-Politik: "Der Skisport war erfolgreich, weil er als Nationalsport gilt, obwohl er eine Einzelsportart ist. Diese Struktur darf man nicht aufgeben; aber für sie braucht man die nationalen Verbände." Nun aber läuft alles darauf hinaus, im Zuge der Zentralisierung die einzelnen Nationen zu entmachten. "Dabei müsste man sie stärken", sagt der Ex-ÖSV-Präsident, "das war auch mein Ziel der zentralen Vermarktung. Den Skisport und die FIS mit ihnen stärker zu machen und gemeinsam ein neues Konzept zu entwickeln."

Zweiter Kardinalfehler des ehemaligen Verbündeten: "Er ist der Meinung, dass die FIS alle Rechte hat, das teile ich nicht. Denn sie hat nur die Rechte auf die Vergabe der Rennen und damit einen großen Hebel. Aber es gibt Orte und Veranstaltungen – Kitzbühel, Wengen, die Vierschanzentournee – die wären auch ohne den Titel Weltcup dasselbe wert. Andere Orte, wie etwa Semmering und Lienz, ja, die brauchen es, in einen ähnlichen Status gehoben zu werden wie diese Zugpferde." Schröcksnadels Conclusio: "Die FIS hat nicht die Macht, die sie zu besitzen glaubt."

Dazu kamen persönliche Auffassungsunterschiede. Schröcksnadel etwa wurde nach dem Ausscheiden zum Direktor der FIS-Marketing-Gesellschaft gemacht – und die war Eliasch ein Dorn im Auge. Zunächst gab es Vorwürfe gegen Geschäftsführer Christian Pirzer (Schröcksnadel: "Ihm wurde doppelte Verrechnung vorgeworfen. Ich wollte Beweise, die kamen nie"), dann wollte man die Geschäftsführung austauschen und die Gesellschaft in Konkurs schicken. "Ich wollte verhandeln", sagt Schröcksnadel, "aber das durfte ich nie." Worauf er ausschied, denn: "Was soll ich Direktor sein, wenn ich nicht verhandeln darf und man die Gesellschaft in Konkurs schicken will?" Vielmehr wollte er Eliasch überzeugen, die Firma "Infront" zu kaufen – und damit auf einen Schlag einen Löwenanteil aller Rechte. "Hätte die FIS damit so viel verdient, wie Infront vorgibt zu verdienen, dann wäre das Investment bald refinanziert gewesen."

Schröcksnadel fand zunehmend Missfallen am Agieren des neuen Präsidenten. "Er will alles sofort haben – was aber nicht geht. Er sucht dann auch Lösungen mit Rechtsstreitigkeiten, das ist nicht mein Weg. Also bin ich ausgestiegen. Das will ich nicht. Und klar ist: Die FIS hat die Marke "Weltcup" und das Recht, Rennen zu vergeben. Aber Veranstalterrechte, die hat sie eben nicht."

Ernüchterung statt Euphorie

Die Euphorie zu Beginn ist Ernüchterung gewichen. Es existiert ein Mailverkehr zwischen beiden, der das Auseinanderleben dokumentiert. Doch der Graben scheint hier nicht mehr zuzuschütten zu sein. Im Gegenteil: Schröcksnadel begrüßt, dass sich in der Zwischenzeit 13 europäische Verbände zur "OPA" zusammengeschlossen haben, ähnlich wie im Fußball oder im IOC. "Eliasch will den Sport woanders implementieren, wo er nicht auf fruchtbaren Boden fällt. Das wird nicht funktionieren. Der Skisport ist vorwiegend in Europa beheimatet."

Eliasch, sagt Schröcksnadel, habe letztlich "die FIS geschwächt". Er solle schnell und "intensiv" darüber nachdenken, was er falsch macht – und vor allem, wie er das Schiff wieder in ruhigere Gewässer führen kann. Sonst "muss er weg", sagt Schröcksnadel.

Apropos ruhig: Auch im ÖSV bahnt sich Unruhe an. Denn Eliasch beschloss im Streit um FIS-Marketing, einfach eine neue Gesellschaft zu gründen, die "FIS M+M", die sich um Marketing und mediale Verwertung kümmern soll. Diese Gesellschaft begann im Juli zu arbeiten, der Geschäftsführer Christian Salomon, zuvor bei IMG im deutschen Sprachraum tätig, nahm die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf. Darunter befindet sich auch ein interessanter Name: Lara Ortlieb, Tochter von Patrick Ortlieb – der seit Schröcksnadels Abgang im ÖSV als Finanzreferent werkt und mit Präsidentin Roswitha Stadlober und Geschäftsführer Christian Scherer ein Triumvirat bildet.

Auch im ÖSV gibt es ein Problem

Dass seine Tochter nun in der neuen Firma der FIS werkt, dessen Ziele sein eigener Verband bekämpft und gegen dessen "Erfinder" Eliasch man auch vor Gericht zog, ist keine glückliche Optik. "

Optik, die nicht allen gefällt, immerhin ist der ÖSV im Rechtsstreit mit der FIS in der Rechtefrage, in der nun Ortliebs Tochter werkt. Deren Qualifikation ist unbestritten; sie war bei Harti Weirathers WWP ebenso tätig wie bei einer Münchner Agentur. Patrick Ortlieb sieht darin auch kein Problem: "Weder Johan Eliasch noch ich waren beteiligt an der Auswahl, nichts ist da über uns gelaufen." Zusatz: "Das ist eine Firma, die müssen performen. Wenn man das Ziel erreichen will, werden die noch mehr Angestellte brauchen."

Ortlieb: "Lege gern alles zurück"

Das Problem mag die Zielsetzung der Firma sein, die – derzeit – konträr zu den Interessen des ÖSV ist. Ortliebs Ansicht: "Sollte die Arbeit meiner Tochter, ein ganz normaler Job, für jemanden ein Problem sein, bin ich der Letzte, der ein Problem hat, alle Funktionen zurückzulegen. Immerhin investiere ich ehrenamtlich meine Zeit, um Finanzreferent zu sein." Für Schröcksnadel wäre die Konstellation mit der Tochter in der FIS und dem Vater im ÖSV unvereinbar.

Der Skiweltcup hat noch nicht einmal begonnen. Aber auch ohne Schnee scheint er stürmisch zu werden …