Es sprach auf den ersten Blick nicht viel dafür, dass aus dieser eigenwillig geformten Wackelkiste aus Blech eine Auto-Legende werden würde. Das Modell wirkte schon bei seiner Vorstellung auf dem Pariser Automobilsalon 1948 aus der Zeit gefallen: Ein amerikanischer Journalist soll gespottet haben, ob der Hersteller denn auch einen Büchsenöffner mitliefern werde. Der französische Dichter Boris Vian nannte den Wagen später eine "fahrbare Geistesverwirrung". Und doch wurde der Citroën 2CV zum millionenfach verkauften Renner - und für Generationen zum Ausdruck eines Lebensgefühls.

Vor 25 Jahren lief die letzte Ente in Portugal vom Band, doch bei Liebhabern ist ihr Charme ungebrochen. Sie schwärmen von der jaulenden Melodie des Boxermotors, der einmaligen Kurvenlage, dem gefühlten Cabrio-Luxus des aufrollbaren Vinylverdecks. Dass Samuel Beckett, der Autor von "Warten auf Godot", 2CV fuhr, überrascht nicht: Kein anderes Auto verkörpert derart den Existenzialismus.

Dabei war das spartanische Design ursprünglich vor allem aus praktischen Gesichtspunkten gewählt worden. Citroen wollte in den 1930er Jahren ein Auto für den kleinen Mann vom Land, robust und billig. Direktor Pierre-Jules Boulanger erteilte 1934 den Auftrag, einen minimalistischen Kleinwagen zu entwickeln.

Federvieh sucht Familienanschluss
Federvieh sucht Familienanschluss © CITROEN

Die Anforderungen an den Konstrukteur André Lefèbvre lauteten angeblich: „Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und dabei nur drei Liter Benzin auf 100 km verbraucht. Außerdem soll es selbst schlechteste Wegstrecken bewältigen können und so einfach zu bedienen sein, dass selbst eine ungeübte Fahrerin problemlos mit ihm zurechtkommt. Es muss ausgesprochen gut gefedert sein, sodass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht. Auf das Aussehen des Wagens kommt es dabei überhaupt nicht an.“

Und das sah man den 250 wassergekühlte Prototypen der sogenannten 2CV Serie „A“, die 1939 gebaut wurden durchaus an: Das Leergewicht betrug anfangs nur 380 Kilogramm, der Aufbau aus Aluminium blieb unlackiert. Die Ur-Ente hatte keinen Anlasser und wurde mit einer Kurbel gestartet: Citroën-Chef Pierre-Jules Boulanger soll der Überlieferung nach auf die Frage eines Mitarbeiters, warum kein Anlasser eingebaut werde, gesagt haben: „Das Auto ist für Bauern gedacht, und die sind alle verheiratet und haben eine Frau, die die Kurbel betätigen kann.“

Der 2CV transportierte nicht nur Menschen, sondern ein Lebensgefühl
Der 2CV transportierte nicht nur Menschen, sondern ein Lebensgefühl © CITROEN

Auch die Sitze bestanden aus Leichtmetall und waren mit Segeltuch bespannt. Der einzige Scheibenwischer wurde während der Fahrt über die Tachowelle angetrieben, in Stand musste man per Hand wischen. Auch bei der Beleuchtung kultivierte man die große Kunst des Weglassens und erfüllte lediglich die in Frankreich gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards: Folglich hatten die Prototypen nur einen Frontscheinwerfer, nur ein Rücklicht, keine Außenspiegel und keine Winker, um eine Richtungsänderung anzuzeigen. Schließlich hatten die Bauern ja alle eine Frau, die die stattdessen mit der Hand aus dem Fenster winken konnte ...

Wie beim Volkswagen in Deutschland kam auch Citroens Projekt TPV - für „Toute Petite Voiture“, ganz kleines Auto - der Krieg dazwischen. Bei der deutschen Invasion ließ Boulanger die Prototypen zerlegen, verstecken oder vernichten. Der Feind sollte sich das Konzept des Miniwagens nicht unter den Nagel reißen. 1994 wurden drei TPV in einer Scheune in Frankreich wiedergefunden, bis heute sind fünf erhalten gebliebene Prototypen bekannt.

Eines der berühmtesten Sondermodelle war die Charleston-Ente
Eines der berühmtesten Sondermodelle war die Charleston-Ente © CITROEN

Angesichts der schlichten Formen des Prototyps in seinem Ehrgeiz geweckt, begann der spätere Designer der Citroën DS, Flaminio Bertoni, 1939 ungefragt mit Entwürfen für ein gefälligeres Aussehen des 2CV. Das heute weltberühmte Resultat enthüllte Citroën schließlich am 7. Oktober 1948 auf dem Pariser Autosalon. Nachdem das Fahrzeug enthüllt worden war, schrieb die satirische Wochenzeitung Le Canard enchaîné: „Eine Konservendose, Modell freies Campen für vier Sardinen.“

Da Rohstoffe, insbesondere Stahl, nach dem Zweiten Weltkrieg rar waren und vorzugsweise dem Staatsbetrieb Renault zugeteilt wurden, konnte Citroën anfangs nur wenige 2CV bauen, die mit ihren luftgekühlten Boxermotoren über die Straßen schnatterten. Es entstanden kurzzeitig Wartelisten von bis zu sechs Jahren. Der Siegeszug des "Deux Chevaux" - der "Zwei Pferdestärken", die jedoch nicht für die Motorkraft stehen, sondern die (sehr günstige) Steuerklasse bezeichnen - begann in den 1950er Jahren.

Sogar Roger Moore als James Bond setzte sich im Film
Sogar Roger Moore als James Bond setzte sich im Film "In Tödlicher Mission" in eine knallgelbe Ente © CITROEN

Im Ausland und ganz besonders in der Bundesrepublik Deutschland verkörperte der 2CV aber auch ein Stück Frankreich, wie Rotwein und Gauloises. Promis fuhren den Wagen ebenso wie Studenten der Anti-AKW-Bewegung, Hippies gingen mit dem als politisch korrekt empfundenen Wagen auf große Fahrt in Ferne Länder - und sogar Roger Moore als James Bond setzte sich im Film "In Tödlicher Mission" in eine knallgelbe Ente.

Über die Jahre liefen mehr als fünf Millionen 2CV und seine Lieferwagenversion vom Band, dazu kamen noch Varianten. Das ist weit von den 21,5 Millionen verkauften Exemplaren des VW Käfer entfernt - im übrigen gibt es oft eine gewisse neckische Rivalität zwischen Enten- und Käferliebhabern. Die Ente war "das richtige Auto für Menschen, die eigentlich kein Auto wollten oder keins bezahlen konnten", wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" einmal schrieb.

Auch beliebt: das Sondermodell „Dolly“
Auch beliebt: das Sondermodell „Dolly“ © CITROEN

Der 2CV war über die Jahre immer wieder an neue Farbtrends angepasst worden, aus den anfänglich 9 PS wurden am Ende sogar bis zu 30 - was Geschwindigkeiten von über 110 Stundenkilometern möglich machte. Die Form blieb jedoch immer gleich. Den Garaus machten der Ente schließlich vor allem strengere Abgas- und Sicherheitsvorschriften. Die Einstellung der Produktion in Frankreich läutete 1988 das Ende ein, zwei Jahre später rollte am 27. Juli 1990 im portugiesischen Mangualde der letzte 2CV aus der Fabrik.