Seine auf die Räder gestellten Geistesblitze sind üblicherweise einer der unterhaltsamen Fixpunkte auf dem Genfer Autosalon im März. Jetzt feiert Frank M. Rinderknecht, Boss der Schweizer Ideenschmiede Rinspeed, mit dem Hybrid-Sportwagen Ʃtos erstmals eine Weltpremiere außerhalb der alpenländischen Heimat. Autonomes Fahren ist diesmal das Thema der Stunde - und wie immer hat er für sein Showcar einen anderen Weg gewählt, als ihn die großen Autobauer einschlagen.

Gemeinsam mit der Beratungsfirma EY hat sich Rinderknecht der Frage gestellt, wie viel Mensch in einer autonom agierenden Maschine stecken soll, muss oder darf. Es gibt unzählige offene Fragen, wie zum Beispiel nach der Moral und Ethik, zudem muss aber auch der Weg in eine technische Umsetzung gefunden werden. Rinderknecht wagt eine Prognose: „Dieser Prozess wird wohl in einer adaptiven, lernfähigen und intuitiven Steuerungssoftware münden. Aber der Weg dorthin ist lang und steinig.“

Technisch basiert der Ʃtos auf dem BMW i8
Technisch basiert der Ʃtos auf dem BMW i8 © (c) Dingo Photos

Jetzt aber schnell vom philosophischen Hintergrund zur Hardware. Also der Studie Ʃtos. Und die kommt mit einer bordeigenen DJI-Drohne nebst Landeplattform im Heck, welche mit 12.000 einzeln ansteuerbaren LEDs auch zur Infotafel oder zum optischen Dancefloor wird. Die Drohne ist aber nicht nur zum Spaß da, sondern soll sich angeblich auch nützlich machen: Etwa auf dem Heimweg einen online bestellten Blumenstrauß für die Liebste abholen. Oder als Begleitflieger, der ein Selfie vom Ritt im Ʃtos über die Hausstrecke dreht und live an die Freunde streamt. Wozu, weiß allerdings keiner.

Nun aber zu Sinnvollerem: Die technische Basis des Sportwagens bildet der BMW i8. Damit der Sportler möglichst wenig Gewicht auf die Waage bringt, hat die Firma Corning das Glasdach und das „Dohnen-Pad“ im Heck aus besonders robustem, leichtem und dünnem Gorilla-Glas gefertigt, wie es auch in Smartphones zum Einsatz kommt.

Die Drohne soll für den Fahrer Botendienste erledigen
Die Drohne soll für den Fahrer Botendienste erledigen © (c) Dingo Photos

Für das autonome Fahren überwachen insgesamt acht HD-Außenkameras das Fahrzeugumfeld optisch lückenlos. Das erlaubt 180-Grad-Panoramaansichten unmittelbar vor und hinter dem Fahrzeug sowie „Außenspiegel“ mit einem erheblich erweiterten Blickfeld ohne toten Winkel. Personen und Objekte im gesamten Fahrzeugumfeld werden automatisch erkannt, verfolgt und falls Unfallpotential von ihnen ausgeht, wird der Fahrer gewarnt.

In kniffligen Situation wie etwa in engen Parkhäusern aktiviert sich – ebenfalls selbsttätig – der sogenannte „Curb View“: Er gestattet den „direkten“ Blick auf die Vorderräder und hilft so, ungewollten Kontakt mit Bordsteinkanten oder anderen Hindernissen zu vermeiden.

Auch das Navi bietet völlig neue Detailansichten: In Parkhäusern leitet es direkt bis zum vorgebuchten Stellplatz, entlang der Route zeigt es realitätsgetreue 3D-Gebäudeansichten sowie Bäume, Bushaltestellen, U-Bahn-Stationen und andere markante Wegpunkte. Die Straßen selbst sind zentimeter- und spurgenau erfasst - eine unabdingbare Voraussetzung für autonomes Fahren.

Das Lenkrad verschwindet im autonomen Modus vollständig
Das Lenkrad verschwindet im autonomen Modus vollständig © (c) Dingo Photos

Die nahtlose Verknüpfung mit der Verkehrsinfrastruktur wie Ampeln sowie mit anderen Autos, insbesondere Einsatzfahrzeugen, lässt Fahrer und Fahrzeug weit über den eigenen Horizont hinaus und sogar durch Hindernisse hindurchblicken. Der sogenannte „E-Horizon“ erlaubt innovative Sicherheits- und Komfortfunktionen wie präzise Geisterfahrer-Warnungen oder einfach auch das sanfte und energiesparende Gleiten auf der „grünen Welle“.

Apropos sehen: Das Gaze-Tracking-System hat die Augen des Fahrers stets im Blick und das Fahrzeug weiß dadurch nicht nur, was dieser gesehen, sondern auch, was er nicht wahrgenommen hat. Warnungen und Hinweise können so ganz individuell erfolgen.

Die Drohne parkt auf dem Heck des Ʃtos
Die Drohne parkt auf dem Heck des Ʃtos © (c) Dingo Photos

Der technische Clou in dessen Innenraum ist das falt- und einziehbare Lenkrad von ZF TRW. Wie von Zauberhand verschwindet es innerhalb weniger Sekunden in der Instrumententafel. So entsteht viel Platz vor dem Fahrer, der bequem und nach alter Manier ein Buch zur Hand nehmen oder auch entspannt arbeiten kann.

Die beiden gewölbten 21,5-Zoll großen Ultra-HD-Breitbild-Monitoren von Harman lassen sich individuell verschieben, das Infotainmentsystem agiert mitdenkend, zuvorkommend, vorausschauend. Ob Fahrtziele, Routenauswahl, Sehenswürdigkeiten, Tanken, Parken, Anrufe, Musik, Videos oder persönliche Vorlieben - der Ʃtos lernt die Termine, Wünsche und Bedürfnisse der Insassen mit jedem Kilometer und jedem Tag besser kennen und bietet blitzschnell und automatisch die jeweils passenden Auswahlmöglichkeiten.

Die notwendige Zahl potentiell ablenkender Eingaben sinkt dadurch drastisch - trotz erheblich erweitertem Funktionsumfang. Und sollte doch einmal ein Befehl notwendig sein, reagiert der Wagen auf Klartextsprache, Geste, Touch, Controller oder Tastendruck.

Die beiden Monitore lassen sich individuell verschieben
Die beiden Monitore lassen sich individuell verschieben © (c) Dingo Photos

Über all dem thront auf dem Armaturenbrett die mechanische Patravi Traveltec Uhr der Schweizerischen Manufaktur Carl F. Bucherer in einem drehbaren Gehäuse, welches sich zum Aufziehen der Mechanik automatisch bewegt. Das filigrane Konstrukt ähnelt einem luftigen Torbogen. Die integrierte Kamera schwenkt bei einem Video-Anruf direkt auf den Fahrer oder Beifahrer.

Außerdem hat der Ʃtos ein Bezahlsystem für sichere Transaktionen „on the go“ an Bord. Selbst kleinere Beträge wie Trinkgelder können mit einer kurzen Wischbewegung der Hand über den Außenspiegel gezahlt werden.