Der Prolog lautet folgendermaßen: Seit 2001 und der damaligen Liberalisierung des Marktes können sich Kunden ihren Stromlieferanten in Österreich frei aussuchen.

Noch aber scheint der Respekt vor komplexen Rechnungen und sinkender Versorgungssicherheit in den Köpfen fest verankert. Auch wenn 2017 ein Rekordjahr war und noch nie so viele Kunden den Stromanbieter wechselten, entsprachen die 241.000 Wechsler lediglich 4,3 Prozent aller Haushalte. Dabei, so betonte es die Regulierungsbehörde E-Control erst letzte Woche, könne ein Tausch vom regionalen Standardanbieter zum günstigsten Anbieter zurzeit jährlich "je nach Region zwischen 192 und 321 Euro" bringen. Bei Gas liegt der Wert sogar noch deutlich höher.

"Derzeit können wir keine Kunden annehmen"

Ein Faktum, auf dem nun einige junge Unternehmen ihr Geschäftsmodell aufsetzen. Energo ist eines davon und hat seinen Hauptsitz in Graz. Gewachsen ist das Unternehmen mit einem "Energiepool" für Hausverwaltungen. Einmal im Jahr sucht Energo für die Kunden im Pool nach den besten Konditionen und wechselt bei Bedarf automatisch den Anbieter.

Nun bietet man das Service auch für Privat- oder Gewerbekunden an – und stößt plötzlich auf wenig Gegenliebe bei Lieferanten. In einem aktuellen Schreiben des Verbund an Energo-Kunden, das der Kleinen Zeitung vorliegt, heißt es: "Derzeit können wir keine Kunden annehmen, die ein automatisches Wechselservice in Anspruch nehmen." Das sorgt für Unmut bei Energo-Boss Florian Kanzler, der den freien Markt in Gefahr sieht. Kanzler betont zwar, "keine Versorger angreifen zu wollen", bemängelt aber "fehlende Transparenz, was AGB- und Preisänderungen betrifft". Erstkundenrabatte würden wahre Preise verdecken – blockiere man nun auch die Wechseldienste, wären Privatkunden am Ende "sicher die Verlierer".

"Störmanöver" und "Tricks"

In Oberösterreich will indes die Unternehmerin Eveline Steinberger-Kern mit einem Wechseldienst-Start-up durchstarten. In der Modalität unterscheidet sich "Energy Hero" zwar von Energo, die Barrieren aber scheinen dieselben. Jüngst ortete Steinberger-Kern gar "Störmanöver" und "Tricks" vonseiten einiger Lieferanten.

"Versorger rufen die wechselwilligen Kunden an oder schreiben ihnen und bieten einen niedrigeren Preis, wenn sie bleiben. In den meisten Fällen ist dieser Tarif aber nicht so attraktiv wie der des günstigsten Anbieters", ließ Steinberger-Kern den "Kurier" wissen.

Wettbewerb gegen Vertragsfreiheit

Was die Regulierungsbehörde zu den sich mehrenden Vorgängen am Energiemarkt sagt? "Grundsätzlich", meint E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch, seien die Wechseldienste "wettbewerbsbelebend" und daher "zu begrüßen". Gleichzeitig gelte für die Energieunternehmen aber  der Grundsatz der "Vertragsautonomie" – sie dürfen also selbst entscheiden, wen sie als Kunde annehmen und wen nicht. Allerdings mit einer Einschränkung. Wolfgang Urbantschitsch: "Ein Marktbeherrscher kann Kunden nicht so einfach abweisen".

Am Ende des Tages könnte sich also alles auf eine rechtliche Frage zuspitzen und wettbewerbsrechtliche Bedenken auf Vertragsfreiheit prallen.

Kein Auge auf "Servicequalität"

Bei Energieversorgern selbst erntet man unterschiedliche Reaktionen. Der Verbund etwa will es sich weiter vorbehalten, "keine Kunden anzunehmen, die ein automatisches Wechselservice in Anspruch nehmen". Die Dienste würden nämlich "ohne Berücksichtigung von Servicequalität und Kundenzufriedenheit" zum günstigsten Anbieter wechseln. Vonseiten der Energie Steiermark wiederum heißt es, dass man Wechseldienste als "normale Marktteilnehmer sehe" und ihnen "neutral bis positiv" gegenüberstehe.