Die Lage in Stiwoll ist nach dem Doppelmord von 29. Oktober unverändert: Vom Gesuchten Friedrich Felzmann fehlt nach wie vor jede Spur. Die Polizei, die wie berichtet ihre Präsenz ja zurückgefahren hat, sichert nach wie vor, arbeitet aber vermehrt im Hintergrund. Wenn Hinweise eingehen, wird diesen umgehend nachgegangen. Man versucht, sofern nach der Schreckenstat überhaupt möglich, den Bewohnern des Ortes den Alltag zurückzubringen.

Heute, Donnerstag, am Tag 19 der Suche nach Felzmann, zog man bei der "SOKO Friedrich“ Zwischenbilanz: Dabei wurde auch ein Bild präsentiert, dass den Gesuchten - nun möglicherweise mit Bartwuchs - zeigt.

Beantwortet von Chefreporter Breitegger: Vier Fragen zum Stiwoller Doppelmord

Zu den Fakten: Bei der Suche nach Friedrich Felzmann habe man bisher 180 Hinweise abgearbeitet sowie bereits 110 Objekte (Hütten, Häuser, Hochsitze, Stollen) durchsucht. Zwischenfazit der Soko-Beteiligten: "Es gibt nicht die geringste konkrete Spur von Friedrich Felzmann - es gibt weder einen Hinweis auf Suizid, noch auf mögliche Aufenthaltsorte, Fluchthelfer oder ein Absetzen ins Ausland."

Mittlerweile wurden auch die DNA-Spuren ausgewertet, nachdem in eine Tiefkühltruhe in einem Bauernhof in der Nähe von Stiwoll eingebrochen worden war. Ergebnis: Die DNA stammt nicht von Friedrich Felzmann. Was laut Ermittlern aber nicht heiße, dass Felzmann den Einbruch nicht verübt hat. Wenn, dann habe er bloß keine DNA-Spur hinterlassen. . .

Expertenarbeit im Analyseraum der Polizei
Expertenarbeit im Analyseraum der Polizei © Breitegger

Soko-Leiter Rene Kornberger bittet weiterhin um die Mithilfe der Bevölkerung. Auch die Überwachung des Gebiets vom Hubschrauber mit Infrarotkamera und mit Bundesheerfahrzeugen mit Spezialgerät habe nichts erbracht. Der Soko-Leiter schilderte eine solche Situation: "Einmal wurde eine Wahrnehmung gemacht, eine Wärmequelle, die durch ein mobiles Team abgeklärt wurde, es hatte sich aber nur um eine Kerze bei einem Marterl gehandelt. Aber es gilt nach wie vor: Wenn die Bevölkerung uns Veränderungen meldet, oder Licht, wo sonst keines ist, dann überprüfen wir das."

Kälte und Schnee könnten eine Fahndungshoffnung sein, dann würden Spuren besser sichtbar. Auch hätte man genauere Resultate von Kameras und Wärmebildgeräten, wenn die Bäume kein Laub mehr trügen. Der Gesuchte sei "kein intensiver Gesellschaftsmensch, er suchte schon in seinen Hobbys Einsamkeit, z. B. im Tierfilmen im Wald. Er kann sich so verstecken, dass er von einem Tier nicht wahrgenommen wird, das er filmen will." Ein Einstellen der Suche käme jedenfalls nicht infrage: "Wann wir aufhören, steht nicht zur Debatte", sagte der Major.

Chronologie der Ereignisse

29. Oktober 2017 - Der 66-Jährige feuert auf seine Nachbarn. Eine 55-jährige Frau und ein 64-jähriger Mann werden in Stiwoll im Bezirk Graz-Umgebung von mehreren Projektilen tödlich getroffen. Eine 68-jährige Frau wird bei der Flucht vor den Schüssen am Oberarm getroffen und überlebt schwer verletzt. Beim Eintreffen der Polizei fehlt vom Verdächtigen jede Spur. Er ist in seinem Auto geflüchtet, vermutlich mit seiner Waffe. Eine Großfahndung wird eingeleitet.

30. Oktober 2017 - Das Fluchtfahrzeug des 66-Jährigen, ein weißer Kleinbus, wird in einem Wald in Södingberg wenige Kilometer vom Tatort entfernt vom Polizeihubschrauber entdeckt. Der Bus ist versperrt und leer. Vom Täter fehlt weiterhin jede Spur. Schulen und Kindergärten der Umgebung bleiben auch nach dem Wochenende geschlossen. Der Bevölkerung wird geraten, zu Hause zu bleiben und wachsam zu sein. Indessen geben die Staatsanwaltschaften in Graz und Leoben bekannt, dass gegen den Verdächtigen schon seit Jahren Anzeigen unter anderem wegen gefährlicher Drohung und nationalsozialistischer Wiederbetätigung vorlagen. Einem Gutachten zufolge sei der Mann jedoch nicht zurechnungsfähig. Da er aber auch als nicht gefährlich eingestuft wurde, konnte er bisher nicht in eine Anstalt eingewiesen werden.

31. Oktober 2017 - Der Verdächtige bleibt weiterhin verschollen. Die Polizei verstärkt ihre Kräfte ein weiteres Mal, eine Hundertschaft ist auf der Suche nach dem 66-Jährigen, durchkämmt Wälder in der Umgebung und durchsucht leer stehende Häuser. Sowohl in Oberösterreich als auch in Niederösterreich gibt es Zeugenaussagen, dass der Flüchtige gesehen wurde. Sie stellen sich aber als Fehlalarme heraus bzw. die Beamten können den Mann in diesen Gegenden nicht fassen.

1. November 2017 - Die Suche nach Friedrich Felzmann wird fortgesetzt, die Allerheiligen-Prozession in Stiwoll wird aus Sicherheitsgründen abgesagt. Der Gottesdienst findet unter starkem Polizei-Aufgebot statt. Indessen durchsuchen Cobra-Einheiten ein Stollensystem eines alten Silberbergwerks, werden jedoch abermals nicht fündig. In Niederösterreich finden verstärkte Streifenfahrten statt.

2. November 2017 - Generalmajor Bernhard Treibenreif, Chef des Einsatzkommandos Cobra, vermutet, dass die Tat "nicht von langer Hand vorbereitet worden ist". Man gehe von einer sogenannten eruptiven Tat aus. Ein Polizist verletzt sich bei der Durchsuchung des Tatortes schwer, als er durch eine mit Heu bedeckte Luke stürzt. In einer Informationsveranstaltung in Stiwoll erhält die Bevölkerung Auskünfte aus erster Hand von Polizei und Behörden, was teils zur Entspannung der angespannten Situation im Ort beträgt.

3. November 2017 - Nach einem Hinweis aus der Bevölkerung verlagert sich die Suche an den westlichen Stadtrand von Graz: Zeugen wollen einen verdächtigen Mann vor der Volksschule von Thal bei Graz gesehen haben. Daraufhin wird der bewaldete Plabutsch zwischen Thalerseestraße und dem Fürstenstand von einer Suchkette der Polizei mit Hubschrauberunterstützung durchkämmt, aber ohne Ergebnis.

4. November 2017 - Die Polizei hat sechs Tage nach den tödlichen Schüssen auf Nachbarn in Stiwoll  die Sonderkommission "Friedrich" zusammengestellt. Die Strategie bei der Suche nach dem 66-jährigen Verdächtigen wird abgeändert und verschiebt sich von großflächigen Screenings in Richtung Analyse und gezielten Überprüfungen. Indessen wurde das erste der beiden Todesopfer am Samstag verabschiedet.

5. November 2017 - Felzmann hat bereits im Jahr 2011 mit Waffengewalt gedroht. Wie das Landesgericht für Strafsachen Graz mitteilte, war er wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt vor Gericht gestanden. Unterdessen findet sich Felzmann auch auf der Liste von Österreichs meistgesuchten Personen.

6. November 2017 - Acht Tage nach den tödlichen Schüssen gingen die Ermittler  einer heißen Spur nach. Am Wochenende wurde in den Keller eines landwirtschaftlichen Wohnhauses unweit des Tatorts eingebrochen. Aus einer darin abgestellten Kühltruhe könnten möglicherweise Lebensmittel gestohlen worden sein, bestätigte Polizei-Sprecher Jürgen Haas. Im Umkreis wird nun verstärkt gesucht.

7. November 2017 - Das Heer stellt auf Basis einer Assistenzanforderung zwei gepanzerte Fahrzeuge vom Typ "Husar" für die Polizei zur Fahndung nach dem Todesschützen von Stiwoll. Es handelt sich um geschützte Mehrzweckfahrzeuge des Herstellers Iveco, die vor rund sieben Jahren in Dienst gestellt wurden. Eine Suche im Freilichtmuseum Stübing nördlich von Graz brachte keine neuen Spuren.

Video vom Polizei-Einsatz in Stübing

8. November 2017 - Die Polizei wird in der Suche nach dem auf der Flucht befindlichen mutmaßlichen Todesschützen von Stiwoll "mit heutigem Tag" ab sofort die massive Präsenz bewaffneter Kräfte in dem kleinen weststeirischen Ort und Umgebung reduzieren. Man gehe wie angekündigt zu einem kriminaltaktischem Verfahren über.

10. November  2017 - Der Fallanalytiker ("Profiler") des Bundeskriminalamtes, Werner Schlojer, geht von einer "tiefen Kränkung" als Auslöser der Bluttat von Stiwoll Ende Oktober aus: "Der mutmaßliche Täter fühlt sich als Opfer." Den tödlichen Schüssen auf zwei Nachbarn war ein jahrelanger Streit um einen Weg über sein Grundstück vorausgegangen. Schlojer und sein Team gehen nicht von einer "tiefer Tatplanung aus".

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