Nach der Zurechtsweisung der Caritas durch den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn, erklärt der ehemalige Präsident der Caritas, Franz Küberl im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: "Wenn der Kardinal bei der Caritas Zerrbilder zu vermeinen scheint, dann könnte das auch damit zu tun haben, dass die Kirche mit ihrer Caritas zu wenig über das im Gespräch ist, was der Caritas und den Armen unter den Nägeln brennt."

Sämtliche Caritas-Direktoren in Österreich und mit ihnen Küberls Nachfolger als Caritas-Direktor, Michael Landau, hatten vor der schrittweisen Demontage des Sozialstaates durch die türkis-blaue Regierung gewarnt. Schönborn hatte ihnen aus Sarajevo ausgerichtet, das Nulldefizit sei "eine ethische Notwendigkeit",  von einer "Aushöhlung des Sozialstaates" zu sprechen, sei Polemik.

Landau versuchte dem Kommentar des Kardinals eine positive Note abzugewinnen: Schönborn habe bestätigt, dass es richtig sei, dass die Caritas auf die Situation der Ärmsten im Land hinweise.

"Kirche muss sich Verteilungsfragen stellen"

Küberl sieht die Zeit gekommen, das Gespräch zu vertiefen und zu erweitern: Der letzte Sozialhirtenbrief der österreichischen Kirche sei fast zwanzig Jahre alt. "Was sind die großen Aufgaben der sozialen Nachhaltigkeit? Wie stellt man sich den Verteilungsfragen? Was kann die Kirche nicht der endgültigen Gerechtigkeit überlassen, was muss schon in der irdischen Gerechtigkeit geklärt werden?" Über diese Fragen müsse geredet werden, und hier sei Schönborn sowohl in seiner Funktion als Vorsitzender der Bischofskonferenz als auch als Sozialbischof gefordert.

"Ich würde meiner Kirche schon anraten, dass sie sich an so etwas wieder wagt", sagt Küberl. "Es geht ja darum, dass man im Gesamt der Kirche, die immer mehrstimmig sein wird,  eine gemeinsame soziale Grundmelodie erkennt." Die Caritas habe ungeheuer starke Antennen. Wenn die auf etwas aufmerksam machen, würde ich der Gesellschaft schon empfehlen, hellhörig  zu werden", kritisiert Küberl indirekt auch Schönborn.

Der Papst habe in den letzten Jahren vieles zu sozialen Fragen gesagt: "Das wird man in Österreich auch ein wenig verarbeiten, auf österreichische Verhältnisse umlegen müssen."

Schönborn stellt klar: Nicht Sparen auf Rücken der Armen

Kardinal Christoph Schönborn hat seine auch intern nicht nur positiv aufgenommenen Äußerungen pro Nulldefizit-Kurs der Regierung präzisiert. Der Wiener Erzbischof betonte zwar neuerlich, dass Schuldenmachen unsozial und ungerecht sei. Zugleich gelte aber auch: "Auf dem Rücken der Ärmsten zu sparen, ist unsozial und ungerecht", so Schönborn auf der Website seiner Erzdiözese.

Er sei der Caritas dankbar und unterstütze sie voll und ganz, wenn sie sich "dafür einsetzt, dass nicht bei den Ärmsten als erste gespart wird", stellte der Kardinal einen Konflikt mit der katholischen Hilfsorganisation in Abrede. Es sei aber klar, dass gespart werden müsse - "und dass Sparen nicht ohne Opfer geht". Dafür brauche es seiner Ansicht nach zweierlei, so Schönborn: "Erstens die Solidarität der Reichen mit den Armen, der Starken mit den Schwachen." Wer mehr als genug zum Leben habe, habe auch eine größere Verantwortung und müsse bereit sein, "etwas an die abzugeben, denen es am Nötigsten fehlt".

Zweitens brauche es einen breiten öffentlichen Diskurs über die Frage, wie die Lasten fair verteilt werden könnten. Ein solcher Diskurs brauche konstruktive Kritik, gute Vorschläge und ein Gesprächsklima, in dem ein Dialog möglich sei. "Ein Eingraben in Fundamentalopposition würde der Sache nicht dienen", warnte Schönborn vor Polarisierungen. Er plädierte für eine Abrüstung der Worte, um einen guten Dialog führen zu können, an dessen Ende ein sozialer und gleichzeitig sparsamer Staat stehe.