„Wir haben eine Ausnahmesituation im Milch- und Schweinesektor“, sagt Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) im Interview mit der „Bauernzeitung“ angesichts des anhaltenden Preisverfalls. Die Niedrigpreise bei Schweinefleisch sieht Rupprechter verursacht durch die Hitze und die Schwemme von deutschem Schweinefleisch nach dem Ende der von der EU geförderten Lagerhaltungsperiode. Zudem seien die Auswirkungen des Russland-Embargos spürbar.

Der oberösterreichische Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger (ÖVP) hatte am Mittwoch davor gewarnt, dass viele Schweinebauern aufgrund des Preisverfalls in den kommenden Jahren möglicherweise zusperren müssten. Die Betriebe könnten ihre Produktionskosten immer weniger decken und Verluste machen. Ein Betrieb mit etwa 100 Schweinen würde heuer etwa ein Minus von 30.000 Euro einfahren, voriges Jahr waren es noch rund 14.000 Euro.

Rupprechter fordert EU-Maßnahmenpaket

Rupprechter fordert von EU-Agrarkommissar Phil Hogan ein Maßnahmenpaket für den Milch- und Schweinesektor, weil die Russland-Krise nicht von der Landwirtschaft ausgelöst wurde. Zudem solle die EU-Strafe für die Überlieferung der Milchquote im Jahr 2014/15 von 45 Millionen Euro erlassen werden. Seit dem Ende der Milchquote Ende März kann jeder Bauer in der EU so viel Milch produzieren, wie er will. Der Erzeugerpreis je Liter Milch liegt zum Teil unter 30 Cent.

Der Obmann der IG-Fleisch, Leo Steinbichler (Team Stronach), kritisiert Bauernbund- und Kammerfunktionäre. Mit dem Verweis auf den europäischen Markt und den Wegfall der Russland-Exporte würden diese von „ihrem eigenen Versagen abzulenken“.

Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen, übt unterdessen Kritik am bestehenden Agrarsystem. "Die massiven Preiseinbrüche bei zentralen Agrargütern, wie Milch, Fleisch und Zuckerrübe, sind Ausdruck einer verfehlten Agrarpolitik. Das einseitige Forcieren auf den Export führt in wirtschaftlichen Krisenzeiten zu massiven Preiseinbrüchen." Anstatt sich auf den Wegfall der Milchquote mit 1. April 2015 einzustellen, sei davor die Quote immer mehr ausgeweitet worden. "Statt neun Millionen Euro nur ins Marketing und in Öffentlichkeitsarbeit zu stecken, wie Rupprechter kürzlich angekündigt hat, wäre es klüger, dieses Geld direkt bei den Bäuerinnen und Bauern zu investieren und damit wirklich bäuerliche Arbeitsplätze zu sichern", betont Pirklhuber.

Bauern blockieren Autobahn

Auch die Landwirte in anderen europäischen Ländern leiden unter dem Preisverfall. Am Mittwoch blockierten Bauern mit ihren Traktoren den Verkehr auf der Autobahn Luxemburg-Brüssel. Auch in Frankreich und Deutschland kommt es immer wieder zu Protestaktionen. Die EU-Agrarminister wollen am 7. September in Brüssel bei einem Sondertreffen über die Lage in der europäischen Landwirtschaft beraten.