Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE), wies auf mögliche Konsequenzen für betroffene Kinder hin: Dicke Kinder haben in der Regel auch im Erwachsenenalter mit Übergewicht zu kämpfen. Folgeerkrankungen wie Diabetes, Herzkreislauf-Erkrankungen, Gelenksprobleme und psychische Diskriminierung drohen zu einem enormen Kostenfaktor für das Gesundheitswesen zu werden.

Hauptrisikofaktoren im Kindesalter sind körperliche Inaktivität, steigender Medienkonsum sowie der Konsum von dick machenden Lebensmitteln und zuckerhaltigen Softdrinks. Wie viele Kinder in Österreich von Übergewicht betroffen sind, ist nicht bekannt. Buben und Mädchen werden von Schulärzten zwar regelmäßig vermessen und gewogen, die Daten "stapeln sich dann auf irgendwelchen Schreibtischen und wir haben keinen Zugang", klagte Widhalm.

Ein bisschen Aufschluss brachte ein an vier Wiener Schulen durchgeführtes Projekt namens Eddy, wonach jeder vierte Unterstufen-Schüler übergewichtig ist. In diesem Rahmen wurden 142 Mädchen und Buben im Alter von elf bis 14 Jahren in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe geteilt. Die Interventionsgruppe erhielt im Rahmen des Unterrichts von Fachleuten zwei Semester lang Aufklärung in Sachen gesunder Ernährung und Bewegung. Ergebnis: Der Konsum von Fast Food und Süßigkeiten ging signifikant zurück.

Die Schüler waren nach Angaben von Projektkoordinatorin Christina Pöppelmeyer mit Interesse bei der Sache - bei der es neben "trockener" Wissensvermittlungen auch Exkursionen gab, unter anderem auf einen Bio-Bauernhof. "Wir haben festgestellt, dass nicht alle Kinder wissen, dass Karotten in der Erde wachsen", sagte Widhalm. Was zum Thema Ernährung in den Schulbüchern zu finden ist, sei bescheiden.

"Wir brauchen neue Zugänge zu Prävention und Therapie", betonte der Mediziner - mehr Fachkräfte in den Schulen, die Einbindung der Schulärzte und mehr Möglichkeiten für Sport und Bewegung, neben richtiger Ernährung der zweite Pfeiler zur Verhinderung von Übergewicht. "Körperliche Aktivität ist eine der besten Präventionsmaßnahmen", erklärte Norbert Bachl, Direktor des Österreichischen Instituts für Sportmedizin (OSIM). "Wir sind Bewegungslebewesen. Körperliche Inaktivität ist abnormal", hielt Bachl fest. Die Sportmöglichkeiten in Schulen sind begrenzt: Es gibt vielfach zu wenige Fachlehrer und Turnsäle.

Bewegung kann auch außerhalb von Turnsälen stattfinden. Hier ortet der Sportmediziner allerdings die - begründete - Angst seitens Lehrer, dass Kinder sich verletzen und deren Eltern klagen könnten - und sei es, weil der Sohn im Schulgebäude gegen eine Mauer gelaufen ist. "Diese Klagskultur ist was Furchtbares. Es gehört nun einmal dazu, dass beim Sport was passieren kann", meinte Bachl.

Die ÖIAE richtet vier konkrete Forderungen an die Gesundheitspolitik: Die Herausgabe der Schularztdaten sowie Größe und Gewicht als Datenbasis für Forschung und Evaluierung der Maßnahmen. die Ausbildung von Gesundheitspersonal an Schulen, besonders auf dem Gebiet der Kinder-Adipositas, Therapie- und Präventionsprogramme gegen Übergewicht sowie die Finanzierung von Forschungseinrichtungen.