Die erste Idee, mit der der Wiener Bauherr zu Andreas Etzelstorfer, dem Architekten seines Vertrauens, kam, war ein Ferienhaus auf Sardinien. Das Anwesen am Attersee, das sich bereits im Besitz der Familie befand, war im Alltag aber einfach „leichter zu bespielen“ als die Insel im Mittelmeer, wie der Hausherr erzählt. Das Problem dabei war nur, dass sich bereits ein 80 Quadratmeter großes Ferienhaus auf dem Seegrundstück befand und man sich bei einem Neubau im Grünland genau an die Grundmaße des alten Gebäudes halten musste, obwohl sich der Bauherr ein fünfmal so großes Haus wünschte.

Die Lösung des Architekten war ein Stapelprogramm, das sich durch die Hanglage ohnehin anbot. Das Gebäude wird über drei Ebenen erschlossen, wobei die oberste auf Straßenniveau die kleinste ist, reserviert für die privaten Rückzugs- bzw. Schlafräume der Familie. Die mittlere Etage ist offener Wohnraum, der dank raumhoher Glasschiebeelemente zum See hin ganz geöffnet werden kann. Und das Kellergeschoß ist für Wellness und das Kinderzimmer des ältesten Sohnes reserviert.
Die persönliche Vorliebe des Bauherrn für „einfache Materialien und die Schlichtheit von Stein und Holz“ brachte Etzelstorfer schnell auf die Idee, das neue Ferienhaus als Steinhaus zu konzipieren. Die Fassade wurde als Verblendmauerwerk in Kalkstein ausgeführt und ist damit auch eine Referenz an die Berge der Umgebung, allen voran den Hochlecken. Auch das südseitig abfallende Dach ist ein Spiel mit diesem Motiv, das sich im Hausinneren fortsetzt. Im Eingangsbereich trifft man auf eine einläufige Treppe zwischen zwei Natursteinwänden, was fast den Eindruck einer kleinen Schlucht entstehen lässt – mit atemberaubendem Ausblick auf den See.

Die Hauptsache in diesem Haus ist der Attersee, folgerichtig ist das Gebäude in alle anderen Richtungen ein geschlossener Block. Die Definition des Hauses als reines Ferienhaus, vorzugsweise für die Wochenend- und Sommernutzung – wie auch bei den Nachbarhäusern – brachte allerdings noch eine Besonderheit mit sich: „An Arbeitstagen oder verregneten Wochenenden sind hier die meisten Häuser leer. Türen, Fenster, Rollläden und Vorhänge sind geschlossen, die Alarmanlagen sind an. Vor allem, wenn der Nebel über dem See liegt, wirkt die Gegend verlassen und unbewohnt“, erzählt der Architekt, warum er sich gleich für ein „Haus mit zwei Gesichtern“ entschied. Die Fassade – „das Wort kommt übrigens von ,facies‘, also Angesicht“ – sollte sich nur öffnen, wenn die Bewohner da sind. „Bei Abwesenheit verschließt sie sich zu einem skulpturalen Monolithen aus Stein.“
Zu diesem Zweck wurde in Zusammenarbeit mit einem Wiener Schlosser der Prototyp für einen hydraulisch betriebenen Klappladen entwickelt, der mit Naturstein verkleidet passgenau die Fassade schließt. „Die größten Elemente sind um die 12 Quadratmeter groß und bis zu eine Tonne schwer“, erklärt Etzelstorfer die technische Herausforderung, die man samt TÜV-Prüfung gemeistert hat. Das System funktioniert nach Auskunft des Bauherrn seit Fertigstellung des Gebäudes vor einem Jahr reibungslos.

Maximaler Freiraum

Sind die Fensterläden geöffnet, verschwinden die Grenzen zwischen innen und außen zur Gänze. Das liegt an der raumhohen, rahmenlosen Verglasung, die seeseitig bei Bedarf über eine Länge von mehr als 9 Metern zur Seite geschoben werden kann, dann geht es vom Wohnzimmer barrierefrei auf die Terrasse mit Pool. Spezialglas garantiert, dass dem Ausblick auch bei vier übereinander geschobenen Fensterelementen nichts im Wege steht, trotz Dreifachverglasung. In das Kellergeschoß fällt das Licht übrigens zum Großteil über Oberlichtverglasungen. Der Wellnessbereich hat zusätzlich einen kleinen sichtgeschützten Freibereich. Von hier führt eine Treppe in den Garten.

Grundriss Erdgeschoß
Grundriss Erdgeschoß © backraum architektur

Die Eichendielen im Wohnbereich sind eine eigene Geschichte: Hergestellt aus einem Stamm, sind sie 40 bis 60 Zentimeter breit und bis zu elf Meter lang. „Um sie überhaupt ins Haus zu bringen, musste kurzfristig das Nachbargrundstück benutzt werden“, erinnert sich der Architekt an die Bauzeit. Die Eingangstür des Gebäudes besteht wiederum aus altem Eichenholz, das perfekt mit der Steinfassade harmoniert.

Grundriss Untergeschoß
Grundriss Untergeschoß © backraum architektur

Alle in diesem Projekt verwendeten Materialien haben eines gemeinsam: raue, unfertige, lebendig anmutende Oberflächen. Alle Metallteile wie Carport, Geländer innen und außen sowie die Treppenkonstruktion sind aus verzinktem und brüniertem Stahl gefertigt.