Am Anfang war die Wand und sie war weiß. Doch wenn in zwei Wochen die Firma Promedico in Graz ihre neuen Räume bezieht, dann sind ihre über 800 neuen Mitarbeiter längst zur Hochform angewachsen - deren Profession: hochkomplexe Fotosynthese-Experten. Die Mission: das perfekte Raumklima.

Das perfekte Raumklima

Was man lange Zeit nur in Hochglanzmagazinen gesehen hat, hält immer öfter auch hierzulande Einzug: begrünte Wände. Wer jetzt an Unmengen Blumenerde, stundenlanges Gießen nach Büroschluss und zugewachsene Schreibtische denkt, hat eine blühende Fantasie, die Realität schaut anders aus. Beinahe klinisch gehen Johannes Leitner und sein Team von "Vertical Magic Garden" mit Sitz in Hartberg zu Werke: Drei Wände, insgesamt 26 Quadratmeter, werden an diesem Tag begrünt, aber nicht allein nur der Optik wegen - die Pflanzen sorgen für ein natürliches Raumklima und halten den Staub in Schach.

Selbst wer in Zeiten des Klimawandels längst gekühlte Innenräume hat, kann durch grüne Wände sparen, so Leitner: "Durch die konstante Luftfeuchtigkeit - im Schnitt zwischen 42 und 45 Prozent - können wir bis zu 30 Prozent der Kühlkosten einsparen." Auch bei der Raumakustik haben Farn & Co. ein Wörtchen mitzureden: "Die schallabsorbierenden Eigenschaften sind nicht zu unterschätzen, im Durchschnitt liegt die Einsparung bei 25 Dezibel. Auch akustisch ergibt es ein ganz anderes Klangbild."

Johannes Leitner
Johannes Leitner © Oliver Wolf Foto GmbH

Auf der "Dschungelbaustelle" werden unterdessen die letzten Vorbereitungen für die "Bewaldung" im Baukastensystem getroffen: Was einfach klingt, ist das Ergebnis langjähriger Forschung. Sieben Jahre wurde allein am mineralischen Konglomerat experimentiert, das die Grundlage für die Module und die "Wohnstätte" für die Pflanzen darstellt. Das Gemisch aus Lavasand und Puzzolano-Zementen - unter anderem mit pH-Wert-mindernden Zusätzen und Langzeitdünger versetzt - wird in Form gegossen und getrocknet. Pro Modul finden 16 Pflanzen Platz, zwei Module ergeben einen Quadratmeter. Bei Wänden im Innenbereich werden die Module auf einer Alukonstruktion angebracht, die gesamte Technik ist in der Hinterlüftung versteckt.

Natur, übernehmen Sie!

Die Bewässerung erfolgt computergesteuert. Ist diese in Gang gebracht, übernimmt die Natur das Zepter: "Am Anfang sieht man noch die Konturen, doch in spätestens zwei Wochen wird alles zugewachsen sein. Danach macht die Natur, was sie will, es beginnt ein Rangeln." Bei Bedarf übernehmen Profis rund dreimal im Jahr die Pflege, wer einen grünen Daumen hat, kann dies nach einer Einschulung selbst übernehmen. Noch sind rund 95 Prozent der Kunden Firmen, die sich meist im Zusammenspiel mit Architekten gleich beim Innenausbau für eine Begrünung entscheiden. Dabei sieht Leitner gerade im privaten Bereich noch viel Luft nach oben. Um jedoch die zum Teil komplexen Baumaßnahmen - Stichwort Bewässerung - zu umgehen, wurde ein fertiges Modul entwickelt, das über eine unabhängige Bewässerung mittels Wassertank verfügt. "Gegossen" werden die Pflanzen mithilfe einer Pumpe. Somit steht dem vertikalen Kräutergarten in der Küche nichts im Weg. Bei dieser Variante ist man mit 600 Euro pro Quadratmeter mit dabei.

Johannes Leitner hingegen hat größere Visionen: "In Zukunft wollen wir Bäume und Sträucher vertikal anpflanzen." Mit den Modulen ist man bereits in der Test-Endphase. Die Stadt muss grüner werden, so Leitner: "Der urbane Lebensraum muss sich wesentlich verbessern, der Mensch in den Mittelpunkt rücken." Anders denken, lautet die Devise, denn wer sagt eigentlich, dass Bäume in den Himmel wachsen müssen?