An sich ist es keine Überraschung, dass die Debatte um die Sonntagsöffnung im Handel vor der Weihnachtseinkaufszeit hochkocht. Das hat bereits eine gewisse kalendarische Tradition. Der diesjährige Schlagabtausch um dieses Reizthema hat vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise und des nunmehr zweiten Lockdowns für weite Teile des österreichischen Handels eine ganz andere Wucht

Auch der Umstand, dass der Anstoß diesmal vom Präsidenten der Wirtschaftskammer, Harald Mahrer, kommt, ist bemerkenswert. Denn bisher hat sich die Wirtschaftskammer, gestützt auf Umfragen in Handelsbetrieben und aus Rücksicht auf die vielen kleinen Betriebe der Branche, mit derlei Forderungen stets zurückgehalten. Forderungen nach einer Sonntagsöffnung kamen meist von Einkaufszentren-Betreibern oder großen Filialkonzernen.

Mahrer hatte mit seinem via Ö3 ventilierten Vorstoß, für die Zeit nach dem Lockdown längere Öffnungszeiten und Sonntagsöffnung zur ermöglichen, nicht nur kritische Stimmen von der Gewerkschaft und katholischen Initiativen geerntet. Der Vorschlag sorgt auch innerhalb seiner Wirtschaftskammer für Irritation – und teils auch offene Ablehnung.

Mahrer argumentiert damit, dass so der Umsatz im stationären Einzelhandel in der Vorweihnachtszeit doch noch angekurbelt werden könnte. Zudem gehe es auch „um das Entzerren der Kundenströme“, um in den nach dem Lockdown noch verbleibenden Tagen vor Weihnachten einem Massenansturm entgegenzuwirken.

"Für den Handel wäre das nicht gut"

„Für den Handel wäre das nicht gut, speziell für kleine und mittlere Betriebe“, stellt sich der Präsident der Wirtschaftskammer Salzburg und Händler Peter Buchmüller entgegen. Da an Sonntagen ein 100-Prozent-Zuschlag für die Beschäftigten gilt, „ist die Frage, für wen das dann ein Geschäft ist – nur für die Großen.“ Auch der Handelsverband geht auf diesen Punkt ein. Die viel höheren Personalkosten an Sonntagen seien für kleinere Betriebe gerade in der Coronakrise „nicht leicht zu heben“, warnt Geschäftsführer Rainer Will.

Kirche und Gewerkschaft sind verärgert

Verärgert über das Vorgehen Mahrers zeigte sich die Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Barbara Teiber: „Mit uns hat es darüber keine Gespräche gegeben.“ Auch inhaltlich zeigt sich Teiber sehr skeptisch: „In Umfragen waren bis jetzt immer 90 Prozent der Handelsbeschäftigten gegen eine Öffnung am Sonntag.“ Die „Allianz für den freien Sonntag“ (zu ihr gehören Kirchen, Gewerkschaften und mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen) warnt eindringlich. „Der Sonntag ist ein wichtiges Kulturgut. Die Menschen brauchen einen gemeinsamen freien Tag, Kinder ihre Eltern. Hat jeder an einem anderen Tag frei, sind ehrenamtliche Tätigkeiten nicht mehr möglich“, sagt Sprecherin Daniela Ebeert.

"Jetzt haben wir Amazon-Förderprojekt"

Der Handelschef in der Wirtschaftskammer, Rainer Trefelik, versucht, die Wogen zu glätten. „Wir denken darüber nach, wie es nach dem Lockdown weitergeht. Die Sonntagsöffnung ist eine Möglichkeit. Die Situation, wie sie jetzt ist, ist ein Amazon-Förderungsprojekt. Wir brauchen dringend Liquidität. Es geht uns nicht um die generelle Sonntagsöffnung – das ist ein anderes Thema.

"Ja, aber" aus der Steiermark

In der Steiermark ist von den Handelsvertretern ein „Ja, aber ...“ zu vernehmen. „Es geht um zwei Sonntage zwischen Lockdown-Ende und Weihnachten, wenn es eine absolute Ausnahme bleibt, können wir uns eine solche Lösung vorstellen“, sagt der steirische Handelsobmann Gerhard Wohlmuth. Voraussetzung sei eine Einigung mit den Sozialpartnern sowie eine Freiwilligkeit. „Aus gesundheitspolitischen Überlegungen muss uns aber klar sein, dass wir den Zustrom nach dem Lockdown möglichst breit verteilen müssen“, so Wohlmuth.

Der Murtaler Schuhhändler und WK-Gremialobmann für Mode- und Freizeitartikel, Franz Rattenegger, verweist darauf, dass eine Sonntagsöffnung für die Betriebe auch leistbar sein müsste. Mit hundertprozentigen Zuschlägen für die Mitarbeiter sei dies wohl nicht möglich. Vor dem Hintergrund der dramatischen Situation, in der viele Händler stecken, wäre er aber „für diese beiden Sonntage dafür, aber es darf keine Dauerlösung werden“, so Ratteneggers Appell. „Letztlich geht es auch darum, Arbeitsplätze im Handel zu retten und auch die bereits vor der Coronakrise massiv unter Druck stehenden Innenstadt-Geschäfte.“

Unterstützung und Kritik aus Kärnten

Der Kärntner WK-Präsident Jürgen Mandl gibt Mahrer Rückendeckung. „Sollte der Bedarf da sein“, werde man über die Sonntagsöffnung reden. „Über diesen Wunsch muss man natürlich noch mit den Sozialpartnern sprechen“, ergänzt Mandl.

Der Spartenobmann des Kärntner Handels, Raimund Haberl, will „Bilder, wie wir sie letzten Samstag vor Schuhgeschäften gesehen haben“, ab 7. Dezember unbedingt vermeiden. Dabei würden zwei offene Sonntage helfen. Besondere Zeiten erforderten besondere Maßnahmen. „Man hätte so zusätzliche Tage, um Kundenströme zu leiten.“ Haberl erinnert, dass Onlineshops 24 Stunden am Tag verkaufen könnten.

Elektronik-Händler Hannes Majdic, ein Online-Pionier in Kärnten, befürwortet Mahrers Vorstoß, um Andrang zu „entflechten“.

Eine „klare Absage“ kommt von der katholischen Kirche Kärnten. „Der arbeitsfreie Sonntag ist eine dringend notwendige Atempause“, sagt Leo Kudlicka von der „Allianz für einen freien Sonntag Kärnten“. GPA-Geschäftsführerin Jutta Brandhuber kritisiert Mahrer: „Die 35.000 Kärntner Handelsangestellten verdienen Respekt, nicht Belastung.“