Es ist ein Gedankenspiel, das seit Anfang dieser Woche wieder aufflammt: Kann Österreich ohne russisches Gas auskommen?

Anlass für die akute Relevanz der Frage ist Olexij Tschernyschow. In einem Interview sagte der Chef des ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz unmissverständlich, dass die Ukraine ab 2025 kein russisches Gas mehr in Richtung Westen durchleiten will. Eine Position, die von ukrainischer Seite schon im Sommer so zu vernehmen war, nun aber ein Stück mehr Ernsthaftigkeit bekam. Für Österreich umso mehr, kamen doch auch heuer im Frühjahr und Sommer rund 60 Prozent des Gases von Russland nach Österreich. Und zwar über die Ukraine.

Zum Kalmieren der Lage rückt nun Alfred Stern aus. Also ausgerechnet jener Mann, der an der Spitze der OMV steht – jenes Unternehmens, das auf einem bis 2040 laufenden Gasliefervertrag mit der russischen Gazprom sitzt. „Wir können bei Bedarf unsere Kunden jederzeit vollständig beliefern mit nicht russischen Gasmengen, wenn das notwendig ist“, sagt Stern nun am Rande der Präsentation aktueller Bilanzzahlen.

OMV verweist auf 30 Prozent Marktanteil

Man hätte ausreichend nicht russische Gasmengen vertraglich abgesichert, „teilweise aus eigener Produktion, teilweise aus Verträgen mit Dritten“. Im Dezember kommt die im Vorjahr angekündigte Schiffsladung Flüssiggas (LNG) aus Abu Dhabi, mit Norwegens Energieriesen Equinor wurde ein Fünf-Jahres-Liefervertrag abgeschlossen. Pipeline-Kapazitäten abseits der ukrainischen, um dieses neue Gas auch nach Österreich zu bringen, hat die OMV laut Alfred Stern „bis 2028 gebucht“. Zugleich wird Stern nicht müde zu betonen, dass man selbst zwar der „größte Marktspieler“ sei – „allerdings mit einem Marktanteil von 30 Prozent“.

Energiemarktexperte Walter Boltz
Energiemarktexperte Walter Boltz © KLZ / AR

Österreich sei in Summe auf das mögliche Transit-Aus „eigentlich nicht“ gut vorbereitet, hieß es dieser Tage indes von Walter Boltz, dem früheren Chef der Regulierungsbehörde E-Control. Nur im Bereich der Vorsorge, der Speicherbefüllung, hätte man sich im Land ausreichend zum Besseren verändert. Tatsächlich sind die Speicher zu Beginn der Heizsaison prall gefüllt, außerdem verpflichtet eine Gesetzesänderung Lieferanten, mehr einzuspeichern.

Säumig sei man aber bei der Diversifizierung der Bezugsquellen, „sträflich vernachlässigt“ gar hätte man laut Boltz „die Ausbaumaßnahmen im Bereich Infrastruktur“. Es sei „fast unerklärlich“, so Boltz, dass der seit geraumer Zeit geplante Ausbau der West-Austria-Gasleitung (WAG) stocke.

Carola Millgramm, Leiterin der Gasabteilung bei der E-Control
Carola Millgramm, Leiterin der Gasabteilung bei der E-Control © E-Control

Tatsächlich wäre eine Kapazitätserweiterung der WAG wichtig, um künftig mehr Gas aus Deutschland beziehen zu können, sagt auch Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas bei der E-Control, zur Kleinen Zeitung. In Summe sieht Millgramm Österreich aber „gut vorbereitet“ für ein mögliches Aus von russischem Gas. Das hätte nicht zuletzt der Oktober 2022 gezeigt. Damals, in Österreich wurden die Speicher auf politisches Geheiß ohne russisches Gas gefüllt, wurden nur 17 Prozent der Gasmenge aus Russland importiert. Millgramm: „Man kann das russische Gas großteils ersetzen. Es ist möglich.“

Ob derlei nicht die Preise massiv in die Höhe schellen lassen würde? Daran glaubt die Energie-Expertin nicht. Jedenfalls würden die Gaspreise „nicht mehr so stark ansteigen wie letztes Jahr“. Dafür sollen nicht zuletzt neue Flüssiggas-Kapazitäten aus den USA sorgen, die ab 2025 auf die Märkte kommen.