Der digitale Euro soll nach Vorstellung der EU-Kommission gesetzliches Zahlungsmittel in Europa werden. Bargeld könne die Wirtschaft im digitalen Zeitalter nicht allein unterstützen. Ohne E-Euro würden sich die Digitalwährungen anderer Staaten oder private Kryptowährungen in Europa ausbreiten und die Rolle des Euro zurückdrängen.

Neben Bargeld, Konto- oder Kreditkarte sollen Konsumenten damit in absehbarer Zeit noch ein Zahlungsmittel parat haben: Der digitale Euro soll dort zum Einsatz kommen, wo Bargeld nicht verwendet werden kann und andere Zahlungsmittel zu kompliziert und zu teuer sind, hob Petia Niederländer, Direktorin der Österreichischen Nationalbank (OeNB),hervor. Der digitale Euro könne auf einem elektronischen Wallett, etwa einem Smartphone, oder auf einer Karte sein, ergänzte sie.

Wobei die Zahlung online wie auch offline vorgenommen werden kann. Ist das Guthaben aufgebucht, kann damit direkt die Rechnung beglichen werden. Andernfalls müsste zuvor der gewünschte Betrag vom Konto auf das Wallett übertragen werden - oder das digitale Geld wird automatisch mit dem aktuellen Konto gegenverrechnet. Ist hingegen zu viel Geld auf dem Wallett gespeichert, könnte dies automatisch auf das verknüpfte Konto fließen.

"Der digitale Euro wird eine Reihe von Vorteilen bringen", sagte Martin Summer, Leiter des Referats Forschung der OeNB. So werde die Nutzung des digitalen Geldes für Konsumenten kostenlos sein. Und Einkäufe sollen künftig einfacher abgewickelt werden können.

Die Sorge, der digitale Euro werde das Bargeld ablösen, sei unbegründet, so Summer. Die Notenbanken hätten kein Interesse, Bargeld abzuschaffen - sie seien letztlich an einer florierenden Wirtschaft interessiert. "Wir brauchen immer ein Zahlungsmittel, das auch bei einem Stromausfall, einem Serverausfall funktioniert".

Gesetzesvorschlag für Mittwoch erwartet

Am 28. Juni will die Europäische Kommission mit einem Gesetzesvorschlag die Basis dafür legen, dass die EZB das Projekt ab Oktober auf die Startrampe bringen kann. Schon in drei bis vier Jahren könnte es Wirklichkeit werden.

Laut Gesetzesentwurf soll die Europäische Zentralbank (EZB) die nationalen Notenbanken in der Eurozone autorisieren können, digitale Euro in Umlauf zu bringen. Dies könne Innovationen wie Sofortüberweisungen vereinfachen. Die Sorge der Finanzbranche, dass die EZB ins Kundengeschäft eingreifen könnte, trete die Kommission entgegen: "Zwischen dem Nutzer des digitalen Euro und der Europäischen Zentralbank oder den nationalen Zentralbanken würde kein Konto oder sonstiges Vertragsverhältnis entstehen."

"Bargeld darf nicht zur Diskussion stehen"

Auch im Rahmen der Eurogruppe Mitte Juni hatten die EU-Minister auch den Digitalen Euro auf der Agenda. Brunner verwies am Freitag auf die "Sensibilität" des Themas. Es müsse einen Mehrwert für die Bürger geben, die Privatsphäre respektiert werden und er könne nur eine Ergänzung sein, so der Finanzressortchef. "Bargeld darf nicht zur Diskussion stehen."

Verbraucher sollen nach dem Willen der EU-Kommission neben Euro-Münzen und -Scheinen in Zukunft auch einen digitalen Euro zur Bezahlung nutzen können. Ein Gesetzentwurf aus der Brüsseler Behörde für eine digitale Variante der europäischen Gemeinschaftswährung sieht laut dpa vor, dass ein digitaler Euro offline und online verfügbar sein soll. Genutzt werden können soll er etwa mit Smartphones oder Smartwatches.

"Schneller, sicherer und billiger"

Der digitale Euro soll so etwas sein wie digitales Bargeld, das nicht auf einem Bankkonto, sondern in einer digitalen Geldbörse aufbewahrt wird – einem sogenannten Wallet, etwa auf dem Smartphone. Er soll Banknoten und Münzen ergänzen, aber nicht ersetzen. Im Prinzip ist der Digitale Euro eine Konkurrenz für Kreditkarten-Anbieter wie Visa oder Mastercard sowie für Zahlungsdienstleister wie Paypal oder Klarna. Bei der Gestaltung gehe es aber darum, "schneller, sicherer und billiger" als klassische Zahlungssysteme zu sein, betont Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling. Eine Überlegung sei auch, den Massenzahlungsverkehr in Europa unabhängiger zu machen von internationalen Anbietern, sagt ein Insider.

Allerdings ist die EZB nicht die einzige Notenbank, die sich mit einer digitalen Währung beschäftigt, sagte Niederländer. Aktuell gebe es 115 Projekte dieser Art, so auch von der US-Notenbank Fed gemeinsam mit dem Massachusetts Institute of Technology oder der Bank of England.

Eine Einführung in Stufen

In Design-Labors tüfteln Entwickler schon länger am Digitalen Euro. Derzeit wird an eine Einführung in Stufen gedacht, wobei bestimmte Funktionalitäten der neuen Digitalwährung erst nach und nach in Umlauf gebracht werden. Neben dem Digitalen Euro für jeden – in der Fachwelt oft als "retail CBDC" bezeichnet – gibt es auch Überlegungen zu einem Digital-Euro für den Interbanken-Zahlungsverkehr – zumeist "wholesale CBDC" genannt. Derzeit stehen aber Zahlungen der Verbraucher an der Ladenkasse oder im Online-Handel, Zahlungen zwischen Verbrauchern und Zahlungen von und an staatliche Stellen besonders im Vordergrund.

Aus Sicht von Kevin Hackl, Bereichsleiter Digital Banking und Financial Services beim Digitalverband Bitkom muss der Digitale Euro den verfügbaren Kryptowährungen technologisch ebenbürtig sein. "Ansonsten ist er nicht konkurrenzfähig." Entscheidend dafür sei unter anderem die Einhaltung des sogenannten ERC-20-Standards, damit der Digitale Euro im Web3 auf dezentralen Blockchains genutzt werden könne. Web3 umschreibt eine neue Generation des World Wide Web, das auf der Blockchain-Technologie basiert. Diese ermöglicht eine verschlüsselte Datenbank, auf der Kryptowerte und sämtliche Transaktionen mit ihnen gespeichert werden können.

"Die EZB hat nur eine Chance ..."

Für Philipp Sandner, Kryptowährungsexperte und Professor an der Frankfurt School of Finance, stellt sich allerdings die grundsätzliche Frage nach dem Mehrwert, da sich die EZB bei der Konzeption des Digitalen Euro auf die Konsumenten konzentriere. "Dort gibt es bereits andere bewährte und beliebte Angebote wie Kreditkarten oder Handyzahlungen. Die EZB hat nur eine Chance, wenn sie von Einzelhändlern – online wie offline – deutlich geringere Gebühren verlangt als beispielsweise Kreditkarten-Anbieter."

Bitkom-Experte Hackl hält es zwar für nachvollziehbar, dass EU und EZB mit einem Digitalen Euro ihrem Souveränitätsanspruch im Zahlungsverkehr Nachdruck verleihen wollten: "Es bleibt aber die Frage, ob der Gesetzgeber oder die Zentralbank die richtigen Organisationen sind, um Innovationen selbst hervorzubringen oder eher die Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Lösungen setzen sollten." Auch Professor Sandner warnt, dass der politische Wille zur Einführung eines Digital-Euro kein Garant für dessen Nutzung als Zahlungsmittel sei. Letztendlich würden die Verbraucher über den Erfolg des Projekts entscheiden: "Der Digitale Euro wird kommen, weil die EZB ihre Pläne beharrlich verfolgt. Der politische Wille ist da, aber ob er auch erfolgreich sein wird, ist noch nicht abgemacht."

Neue Risiken für die Finanzstabilität?

Experten befürchten auch neue Risiken für die Finanzstabilität durch den E-Euro. Denn Nutzer könnten darauf setzen, dass die neue Digitalwährung viel sicherer ist als das Geld auf ihrem Bankkonto, und verstärkt Summen in ihre digitale Geldbörse umschichten. Für Banken mit starken Einlagengeschäften wäre das keine einfache Situation. Denn diese Gelder stünden den Geldhäusern als stabile und günstige Refinanzierungsquelle nicht mehr zur Verfügung. Nach Berechnungen der DZ-Bank-Volkswirte könnten Kundeneinlagen von rund einer Billion Euro von den Bankkonten weg in die neue Geldform fließen.

In einer Bankenkrise könnte eine solche Einlagenflucht sehr schnell gehen: Statt vor den Geldautomaten Schlage zu stehen, könnten die Verbraucher mit einem Mausklick Summen in die Digitalwährung verschieben, wie der Finanzdienstleister W&W in einem Sonderbericht zum Gefahren-Szenario eines digitalen Bank Run erläutert. Das sei schon jetzt ein Problem: In der jüngsten Bankenkrise in den USA habe sich gezeigt, dass sich die Reaktionsgeschwindigkeit der Kunden durch die modernen Möglichkeiten der Kommunikation über soziale Netzwerke und das Online-Banking massiv erhöht habe, führt er aus. Dort hatten Kunden innerhalb weniger Stunden viele Milliarden Dollar an Einlagen aus kriselnden Regionalbanken abgezogen.

Finanzminister Brunner: "Sensibles Thema"

Dass es sich bei der digitalen Währung um ein sensibles Thema handelt, ist auch Österreichs Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bewusst: "Aus unserer Sicht müssen vor allem drei Dinge klar dargelegt werden: Erstens muss der Mehrwert für die Bürger klar ersichtlich sein. Zweitens muss gesichert sein, dass ein digitaler Euro nur eine Ergänzung ist und das Bargeld als Zahlungsmittel absolut unangetastet bleibt und drittens muss die Privatsphäre der Bürger jedenfalls geschützt werden", teilte Brunner in einer schriftlichen Stellungnahme mit.

FPÖ-Konsumentenschutzsprecher Peter Wurm ist trotzdem skeptisch: ""Bargeld ist und bleibt einfach gedruckte Freiheit, Selbstbestimmung und Sicherheit – und es ist klassenlos. Ein digitaler Euro wäre hingegen der Weg in eine bargeldlose Gesellschaft samt Überwachung und Kontrolle – und das lehnen wir entschieden ab", teilte Wurm in einer Aussendung mit.